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Endlosschleife

Seit dem 18. November dieses Jahres stellen unter dem Namen „Übermorgenkünstler II“ 19 Künstler 18 Arbeiten im und am Heidelberger Kunstverein aus. Da es sich um eine Fortsetzung - wie die Ziffer „II“ im Titel bereits andeutet - handelt, bietet sich der Vergleich zum Erstling geradezu an. Vor zwei Jahren fanden sich nur ein Gemälde und wenige grafische Arbeiten unter den Exponaten, dominierend war „narrative Objektkunst“, wie der Initiator des Formats, Johan Holten, treffend formulierte. Dass Objektkunst auch für die heutigen Künstler von Übermorgen ein beliebter Weg ist, sich auszudrücken, lässt sich auch dieses Jahr wieder sehen.

Anfang und Ende des Ausstellungsparcours: „Monument“ von Jessica Twitchell.

Dem Betrachter wird allerdings auch vorgeführt, dass Malerei und Grafik Medien sind, in denen angehende Künstler arbeiten. Zwei Arbeiten, die dies belegen, sind großformatige Gemälde von Jonas Weichsel und Enrico Bach. Weichsels Bild stellt eine Hybride aus Op-Art und Hard Edge dar, die technisch perfekt gearbeitet ist. Technisch ebenso ausgefeilt wirkt Enrico Bachs Gemälde „Black Box“. Mit einer reduzierten Palette füllt Bach die Leinwand mit schwarzen, grünen, grauen und weißen Rechtecken und Parallelogrammen. Der Kunstkritiker Clement Greenberg hätte sicherlich Freude an diesem Gemälde gehabt, schließlich kann es ganz im Sinne des Greenbergschen Modernismus gelesen werden: Selbstreferenzialität des Mediums. Malerei findet auf der Fläche statt – betont wird dies anhand der Parallelogramme, die durch angedeutete Schattenwürfe Raum illusionieren und dadurch das Verhältnis von Fläche und Raum thematisieren. Neu ist dieser Ansatz nicht. Auf dem Kunstmarkt wird Bachs Arbeit dennoch sicherlich spielend einen Abnehmer finden. Fraglich bleibt nur, wie überzeugend die Auswahl der beiden Gemälde Bachs und Weichsels in einer Ausstellung ist, die sich zukunftsgewandt gibt. Schließlich behandeln die Arbeiten Themen, die auf ähnliche Weise bereits vor 50 Jahren bearbeitet wurden.

In unmittelbarer Nähe zu dem großformatigen Gemälde und einiger weiterer kleineren Gemälden Weichsels, befinden sich Collagen von Kai Mailänder. Er arbeitet mit schwarz-weiß Fotografien und Ausschnitten aus Landschaftskatalogen aus den 1950er und 1960er Jahren. Auf die kleinformatigen und in Naturtönen bemalten Abbildungsträger werden in einer speziellen Falttechnik, gestaltete geometrische Dreiecksfiguren aus Papier appliziert. Die ausgestellte Werkreihe, die eine Einheit bildet, zeigt eine Entwicklung von Collagen mit gegenständlichen Motiven hin zu rein geometrischen und malerischen Figuren auf.

Als Transportunternehmer in Sachen Kunst haben sich Lukas Fastabend und Leo Wörner betätigt: „Vehicle 2011“.

Ein Glanzlicht der Ausstellung ist die Installation „Vehicle 2011“ von Lukas Fastabend und Leo Wörner, die mit einem Augenzwinkern auf den Ausstellungstitel Bezug nimmt. Die Künstler begaben sich zwei Tage vor dem Aufbau der Ausstellung auf eine Reise quer durch Deutschland über die Kunst- und Kulturzentren Düsseldorf, Berlin und Leipzig. Auf dieser Fahrt holten sie bei den bereits renommierten Künstlern Katharina Grosse, John Bock und Matthias Weischer großformatige Transportkisten ab, die deren Kunst beinhalten soll. Diese Kisten sind zusammen mit einer 48-stündigen Filmdokumentation, die Tag und Nacht als Endlosschleife läuft, an einem zentralen Standort der Ausstellungsräumlichkeiten zu sehen. Vor den verschlossenen Transportkisten stellt sich dem Betrachter die Frage, ob sich in den Kisten wirklich Werke von Bock und Weischer befinden und somit verborgene „Schätze“ im Werk der beiden Studenten enthalten sind. Grosses Beitrag hingegen fällt unspektakulär aus: Sie gab den beiden Reisenden eine Getränkekiste samt einiger Flaschen mit, die teilweise mit Farbe beschmiert sind. Die Kiste wirkt eher wie ein Artefakt aus dem Atelier als ein Kunstwerk, um das Fastabend und Wörner gebeten hatten.

Der Besucher der Ausstellung wird von der großformatigen, weißen Skulptur „Monument“ von Jessica Twitchell sowohl empfangen als auch verabschiedet. Das Werk in einer offenen „L“ Form ist schräg an die Seitenwand des Ausstellungsraumes gelehnt. Sie transportiert durch das beachtliche Format, die Postierung im Raum und das fragile Material eine ambivalente Thematik – den Widerspruch von Monumentalität und Ephemerität.

Nach der Ausstellung wirkt sowohl die Überraschung, dass viele Arbeiten technisch überzeugen können und teilweise sogar museale Qualität aufweisen, als auch die Ernüchterung, dass – nimmt man den Ausstellungstitel wörtlich – wenig neue Ansätze und Herangehensweisen übermorgen auf uns warten.

Einen Bildbericht mit Kommentaren einiger der „Übermorgenkünstler“ findet sich hier. Die Ausstellung ist noch bis 19. Februar 2012 im Heidelberger Kunstverein zu sehen.

 

 

 

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