Kritik
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Am Anfang war Instagram. Der Papst betet, Flüchtlinge sind heiß und Taillen schmal

Eine Woche mit Instagram kann ganz schön stressig sein. Erst sorgten die @hotmigrants für Aufregung, denn ein Account auf Instagram will zeigen, dass unter den Flüchtlingen, wie es immer heißt, auch total heiße Typen sind, deren Sex Appeal auch in der größten Not verlässlich wirkt. Im Wesentlichen geht es um Bärte. Für den Betreiber des Accounts Zeichen der Hippness, der Bart muss auf der Flucht auch schon mal professionell gestutzt werden, wie ein Bild beweist. Für AfD-Wähler derweil sind die jungen Männer mit Bärten, „die Flüchtlinge“, ein sicheres Zeichen für den Untergang der westlichen Zivilisation. Der außerdem mindestens in den nächsten fünf Minuten über uns hereinbrechen wird. Denn sie stehen ja schon da, mit ihren Bärten, warten hinter den Zäunen darauf, dass sie ins Land gelassen werden, um es … ja, was eigentlich? Der Betreiber des Accounts, ein Mann mit Mitgrationshintergrund, der in Washington D.C. lebt, wie Bento herausgefunden hat, will der Problematik zumindest für einen kurzen Augenblick, von denen es auf Instagram so viele gibt, die Ernsthaftigkeit nehmen. „He’s #notimpressed about waiting around“, schreibt er unter das Bild eines jungen bärtigen Mannes, der vielleicht genervt, vielleicht aber auch einfach nur erschöpft guckt und hinter dem eine Menschenmenge bewacht von Soldaten und Polizisten auf ihr weiteres Schicksal wartet. Knapp 4.000 Follower haben die Hot Migrants inzwischen, die es seit 4. März auf Instagram gibt.

Vergangene Woche war es außerdem nicht cool, dass viel zu dünne Mädchen Taillen haben, die schmäler als ein Din A4-Blatt sind, das sie sich eben vor diese viel zu schmale Taille als Beweis halten. Vor lauter Blättern darf man Taillen mal ruhig nicht sehen, aber bitte nicht in Größe A4, denn auf den Körper übertragen sollte dieses genormte Format besser nicht zum Standard werden. So die prompte Gegenreaktion auf Instagram. In Hashtags übersetzt: #A3bodylove statt #A4waist. A3, im Querformat und nicht wie die Hungerhaken es vormachten im Hochformat vor den eigenen Körper gehalten, steht jetzt also für die Liebe zum eigenen Körper, für Akzeptanz, Selbstachtung und ein gesundes Selbstbild.

  Mein Beitrag zu #A4waist. Ich denke am ehesten passt ein DIN A4-Blatt auf meine Brust   A photo posted by @journelle on

Und als man dachte, jetzt hätte man alles gesehen, zumindest diese eine Woche auf Instagram, endlich Wochenende, schnell einen grünen Detox Smoothie zaubern, Beine hoch, Candy Crush spielen, da verkündet urplötzlich der Papst, dass er einen neuen Weg einschlägt. Er, der heilige Vater, er wähle nun also diesen neuen Weg, um mit uns, wie er am Samstag twitterte, den Weg der Barmherzigkeit und der Zärtlichkeit Gottes zu gehen. Wie beiläufig ist irgendwo in diesen Tweet, den die vielen Accounts des Papstes in vielen Sprachen in die Welt trugen, eingeschoben, dass dieser Weg „auf Instagram“ beginnt.


Am Anfang war das soziale Fotonetzwerk. Das ist nur konsequent. Jesus schließlich hatte auch Follower. Wenn auch ein paar weniger. Während Twitter stagniert, wächst Instagram. 300 Millionen Nutzer des Kurznachrichtendienstes stehen 400 Millionen des sozialen Fotonetzwerks gegenüber. Kevin Systrom, der Mitgründer und CEO von Instagram, gratuliert dem Papst eben dort, auf Instagram, Händeschüttelnd zu dieser Entscheidung. Der Hauptaccount des Unternehmens mit 145 Millionen Followern teilt die frohe Kunde und fordert dazu auf, den Papst doch zu besuchen, ihm Hallo zu sagen und ihn Willkommen zu heißen. Pope Francis hat nach nicht einmal 24 Stunden bereits 1,2 Millionen Follower.

Unter sein erstes Foto, das ihn betend zeigt, schrieb er, oder vielmehr der, der für ihn Instagram bespielt: „Pray for me“. Vielleicht sollten wir tatsächlich beten, für ihn, für uns, für weniger Instagram und für mehr Snapchat, denn dort verschwindet wenigstens alles nach spätestens 24 Stunden, was man eigentlich gar nicht erst gesehen haben muss.

Nachtrag: 24 Stunden später schon gab es den Instagram-Account @hotmigrants nicht mehr. 

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