Alle Artikel mit dem Schlagwort: Popkultur

In Kreuzberg und anderswo trinkt man wieder Filterkaffee. Foto: Anika Meier

Wachbleiben. Kleine Kulturgeschichte des Kaffees

Kreuzberg, Hackney oder Williamsburg heißen die Stadtteile, in denen die dritte Kaffeerevolution stattfindet. Seit der Kaffee im 17. Jahrhundert nach Europa kam, und seit es in den 1950ern chic wurde, Espresso zu trinken wie die Helden italienischer Filme, hat sich einiges getan. Vielleicht ist das gar kein Umsturz. Aber es ist neu, dass die arrivierten Mittelstandskaffeetrinker jetzt genau wissen wollen, woher ihr Kaffee kommt. Pur soll er getrunken werden, ohne Haselnuss- oder Himbeersirup, ohne Sahne oder Sojamilchschaum. Die Frage nach der Röstung ist wichtiger als die Frage nach Milch und Zucker (weder noch, ist meistens die Antwort). Hier geht es vor allem um den Kaffee. Aber beim Kaffeetrinken geht es auch um alles andere. Die Geschichte des Kaffees ist die Geschichte der europäischen Moderne. Oder umgekehrt. In den ersten Kaffeehäusern in England, um 1650, herrschte ein egalitärer Geist, zumindest unter denjenigen, die sich das teure Getränk leisten konnten. Es durfte sich jeder neben jeden setzen, und jeder durfte mit jedem sprechen. In Paris eröffnete 1689 das Café Procope. Anne-Antoinette Diderot gab ihrem Mann jeden Tag neun …

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Zurück in welche Zukunft? Mark Fishers Essayband „Ghosts of My Life“

In Frankreich begeistert man sich derzeit wieder für Techno. Man muss sich nur die EP von Panteros666 (Bromance Records, 2013) ansehen und anhören: Das Cover und der Klang erinnern an die Thunderdome-Hardcore Compilations aus den 1990ern, nur eben so, dass auch Kunststudierende das gut finden können. Die Platte heißt passenderweise auch „Hyper Reality,“ benannt nach einem der Lieblingstheoreme der 1990er.     Überhaupt erinnert die sogenannte post-internet Ästhetik irgendwie daran, wie man sich in den 1990ern die Zukunft vorstellte. Diese Erscheinungen spielen natürlich Mark Fisher in die Hände, der in seinem demnächst erscheinenden Essayband „Ghosts of My Life“ mit Unbehagen behauptet, die Popkultur sei seit mindestes einem Jahrzehnt in der Wiederholungsschleife. Seine Essays stammen aus der Frieze, e-flux oder von Fishers eigenem Blog k-punk. The slow cancellation of the future, so heißt die Losung, die Fisher in dem gleichnamigen Text ausgibt. Zukunft ist bei ihm der Begriff, von dem eine geradezu magische Suggestivkraft ausgeht. Die Erwartung des Fortschritts, ob im marxistischen oder im bürgerlichen Sinne, war die Hoffnung der Moderne. Spätestens mit den italienischen Futuristen beginnt …

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Von Pixeln und Märtyrern. Harun Farocki und Robert Wilson in Paris

In einer schmalen Straße im Osten von Paris liegt, einigermaßen unscheinbar, die Galerie Thaddaeus Ropac. Am Empfangstisch vorbei kommt man im Erdgeschoss in einen abgedunkelten Raum, in dem vier Leinwände von der Decke hängen. Vor jeder Leinwand eine Bank, über jeder Bank ein Lautsprecher, aus dem eine nur für den jeweiligen Zuschauer hörbare Stimme das Geschehen auf der Leinwand kommentiert. Im Dunkeln und von Leinwänden umgeben, könnte man meinen, in eine zeitgenössische Variation der Panoramen des 19. Jahrhunderts geraten zu sein. Aber man hat es hier doch nicht mit der Illusion einer vollständigen Welt zu tun. Statt von einer bemalten Leinwand hat man hier vier Filme von Harun Farocki („Parallele I-IV“) vor sich. Oder genauer: viermal Ausschnitte aus Videospielen und Computeranimationen von Landschaften, Wasser und Wolken.  Auf den ersten Blick scheint es, als habe Farocki sein Material so vorgefunden, wie er es mit nur sparsamen Kommentar versehen zeigt. Aber die Ausschnitte sind doch genau komponiert. „Parallele I“ leistet, was im Film klassischerweise ein establishing shot macht. Die Welt der Handlung, sozusagen der Ort der Erzählung wird abgesteckt. …

„Ein Musikvideo ist Kunst über Kunst“. Henry Keazor über Kunstgeschichte und Musikvideos

Henry Keazor ist gerade als Professor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an die Universität Heidelberg berufen worden. Mit uns sprach er über sein DFG-Projekt „Zur ästhetischen Umsetzung von Musikvideos im Kontext von Handhelds“, die Zukunft des Musikvideos in Zeiten von Smartphones und über sein Lieblingsmusikvideo.