Monate: Oktober 2015

Gefährliche Selfies – sichere Klicks

Der Generation Instagram reicht der Blick in den Spiegel nicht mehr aus. Sie will mehr. Und sie riskiert dabei immer mehr. Selfies sind populärer denn je, sogar Barack Obama wurde schon mit einem Selfie-Stick gesichtet. Aber wie sieht es aus, wenn Fotografen und Künstler das Massenphänomen Selfie negieren oder mit der übersteigerten Selbstwahrnehmung arbeiten?   Schon früh bekommen wir beigebracht, von Fremden nichts anzunehmen. Als ich auf der Praterstraße in Wien spazierend gerade in ein Brötchen biss, stellte sich mir die Frage gar nicht erst, ob ich nach der Zeitung greifen sollte, die mir zur kostenlosen Mitnahme angeboten wurde. Ich hatte keine Hand mehr frei. Ein Blick auf den Titel der Zeitung ließ mich allerdings schnell mein Käsebrötchen einpacken und selbige, freundlich mit dem Kopf nickend, entgegennehmen. Der Kurier, die – nach eigenen Angaben – unabhängige Tageszeitung für Österreich, titelte am 22. September: „Tödliche Selfies. Unfälle. Mehr Tote beim Fotografieren als durch Haiattacken.“ Ja, das ist nicht schön. Nichts davon. Haie gelten gemeinhin, darüber gibt Wikipedia Auskunft, als kaltblütige Killer und Menschenfresser. Und das obwohl …

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Von der Hafenstraße in die Hafenstraße. Daniel Richter feiert in einem Keller

Wenn der Maler Daniel Richter eine Party feiert, dann am besten in der Hafenstraße. Aber nicht in Hamburg, sondern in Frankfurt. An der Grenze zum Gallusviertel ist das Bahnhofsviertel noch nicht domestiziert. Hier gibt es eine Menge leerstehender Gebäude aus der Zeit, als das Gebiet zwischen dem Bahnhof und dem F.A.Z.-Hauptquartier Boomtown war. “Da liegen die Crack-Raucher zwischen den Hochhäusern herum,” hat Christian Kracht einmal geschrieben. Vor ein paar Wochen hat in einer alten Spielothek ein neuer Club aufgemacht. Eine Straße weiter, in der Hafenstraße, hat noch ein Club aufgemacht. Der heißt Hafenstraße 51 und ist im zweiten Untergeschoss. Über Rampen geht es in den Keller unter dem Commerzbank Trading Center, Baujahr 1976. In einen von der Finanzwelt vergessenen Randbereich. Natürlich passen Techno und mit Rohbeton ausgekleidete Kellerräume sehr gut zusammen. Also Berliner Technokitsch, nur im Frankfurter Bahnhofsviertel, in einer Straße die ausgerechnet auch Hafenstraße heißt. Daniel Richter muss gelegentlich erklären, dass er nie in einem der besetzten Häuser in der Hamburger Hafenstraße gewohnt hat. Aber in der Gegend hat er sich viel herumgetrieben in …

Wie viel Deutschtümelei verträgt Deutschland?

Man wacht morgens auf und hat die Stimme des Büchner-Preisträgers Martin Mosebach noch im Ohr. Und wenn man gerade denkt, es war alles nur ein Traum, muss man sich auf der Seite des Deutschlandfunk eines Besseren belehren lassen. Mosebach hat in einem Interview Botho Strauß’ Debattenbeitrag Der letzte Deutsche, erschienen im Spiegel, verteidigt. Strauß macht sich da Sorgen um nicht weniger als Kultur und Literatur: „Dank der Einwanderung der Entwurzelten wird endlich Schluss sein mit der Nation und … einer Nationalliteratur.“ Strauß fühlt sich wie der letzte Deutsche. Dietmar Dath widerspricht ihm. Hans Hütt stellt in der Zeit derweil die Diagnose: beginnende Demenz. Richard Kämmerlings wundert sich. Über die diffuse, völkische Paranoia kann man sich ebenfalls wundern. Einen Verteidiger hat Strauß’ Dekadenzfantasie mit Mosebach jedenfalls gefunden. Der meint, dass hier nur ein Missverständnis vorliegt. Die Entwurzelten seien gar keine Flüchtlinge, sondern die Deutschen selbst. Die haben, so Mosebach, den Kontakt zur Nationalliteratur verloren. Warum die Entwurzelten dann aber einwandern, man weiß es nicht. Warum für Mosebach Ernst Jünger in eine Reihe deutscher romantischer Philosophen gehört, muss auch im …