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Skeptisch gegenüber junger Kunst?

In Heidelberg selbst gibt es keine Kunstakademie. Wie kamen Sie auf die Idee gerade hier eine Ausstellung für die Studenten von den hiesigen Akademien zu organisieren?
In den letzten drei Jahren, in denen ich hier gearbeitet und ein Programm aufgestellt habe, das inzwischen bundesweit anerkannt wird, musste ich immer wieder feststellen, dass das, was andere Kunstvereine in großen Städten haben, hier in Heidelberg fehlt: Ein Publikum von jungen Künstlern, also ein Unterbau von subkulturellen Projekten. Das Publikum ist, wie es auch unsere Mitgliederstruktur zeigt, ein älteres. Das trifft nicht nur auf den Kunstverein zu, sondern auf Heidelberg generell ‒ die jungen Künstler fehlen hier einfach. Es gibt natürlich viele Studenten, aber weniger kreative, sondern vielmehr gutbetuchte Studenten, die schnell fertig studieren möchten, damit sie eine Stelle bekommen; dadurch entsteht ein ganz anderes Stadtbild.

Und hier im Haus wurde ein Umbau verschoben, der eigentlich im November stattfinden sollte, weshalb für November keine Ausstellung geplant war. Statt nochmal einen Ausstellungszyklus an das bestehende Programm anzuschließen, um die kleine Lücke zu schließen, war die Idee, einmal eine etwas andere Ausstellung zusammenzustellen.

In der Halle des Heidelberger Kunstvereins ist von 21. November 2009 bis 14. Februar 2010 die Ausstellung "Übermorgenkünstler" zu sehen.

In der Halle des Heidelberger Kunstvereins ist vom 21. November 2009 bis zum 14. Februar 2010 die Ausstellung „Übermorgenkünstler“ zu sehen.

Welches Ziel verfolgt die Ausstellung?
Die Ausstellung möchte einen Überblick darüber geben, was gerade an den Akademien gemacht wird; das vor allem auch, da es in Heidelberg eben selbst keine Rundgänge gibt. Natürlich möchten wir andersherum den jungen Künstlern von den Akademien aus dem Umkreis zeigen, was wir hier im Kunstverein machen ‒ vielleicht kommen sie dann mit ihren Künstlerkollegen auch in unsere anderen Ausstellungen. Es ging uns um die Vernetzung. Und selbstverständlich war ich sehr gespannt, was von einer anderen Generation an Kunst gemacht wird. Ich bin sonst immer „der Junge“, jetzt bin ich einmal einer der Älteren. Ich habe sonst viel mit Künstlern in meinem Alter zu tun, manchmal auch mit ein wenig älteren; nun sind die Künstler um die fünfzehn Jahre jünger und dieser Generationensprung ist für mich sehr interessant. Ich war sehr neugierig, was an Einsendungen auf unseren Aufruf zurückkommt.

Die Möglichkeit im renommierten Heidelberger Kunstverein auszustellen, stieß sicher auf großen Anklang bei den Studenten.
Jein. Die Frist für den Einsendeschluss war Ende September. Als ich wenige Tage vor Ablauf dieser Frist nach Berlin gereist bin, waren bei uns im Büro erst knapp 40 Bewerbungen eingegangen. Das hatte mich doch ein wenig besorgt. Wir haben dann nochmal kräftig die Werbetrommel gerührt. Und klar, das Problem war natürlich, dass die Ausschreibung in den Semesterferien rausgegangen ist; das war sicherlich nicht optimal, konnte aber wegen des verschobenen Umbautermins nicht anders gehandhabt werden, es wäre zeitlich sonst einfach zu knapp geworden. Innerhalb dieser Woche bekam ich dann die Nachricht aus dem Büro, dass wir mit Bewerbungen überschwemmt wurden. Wir sind inzwischen auf 263 Bewerbungen gekommen. Irgendwie ist plötzlich der Damm gebrochen. Es ist sehr erfreulich, dass es nun doch sehr gut geklappt hat. Ein bisschen stressig war nur, all die Bewerbungen anzuschauen.

Wer hat die Auswahl letztendlich getroffen und nach welchen Kriterien?
Wir haben eine Jury aus der Region zusammengestellt: Neben mir waren Dr. Ulrike Lorenz, die Direktorin der Mannheimer Kunsthalle, und Dr. Reinhard Spieler, der Leiter des Wilhelm-Hack Museums in Ludwigshafen in der Jury. Wir drei waren stimmberechtigt. Fast alle Entscheidungen sind einvernehmlich getroffen worden, es gab einzelne Punkte, wo einer mal mehr oder weniger stark zustimmen konnte, grundlegende Differenzen bei der Entscheidungsfindung gab es nicht. Wir haben uns auch alle Einsendungen angesehen.

Es ging nicht wie bei einer Preisausschreibung darum, die allerbeste Arbeit auszuwählen, und dann einen Zweit- und Drittplatzierten auszuwählen, sondern darum, eine gute Ausstellung mit repräsentativen Werken zusammenzustellen. Die Arbeiten müssen auch im Ausstellungskontext funktionieren. Wir haben uns deshalb erlaubt, nicht nur den Qualitätsmaßstab anzulegen, sondern haben auch über Zusammenhänge in der Ausstellung nachgedacht. Natürlich hängen die Arbeiten in den allermeisten Fällen zusammen, aber es gibt auch hier und da Unterschiede, wo es besonders gut in einer Ausstellung passt. Bei einer Preisvergabe wäre die Entscheidung vielleicht leicht anders ausgefallen. Ich würde aber sagen, dass es nur minimale Unterschiede gibt.

Gibt es eine Tendenz, was beim Nachwuchs beliebt ist: Malerei, Skulptur oder Fotografie?
Ich bin relativ überrascht, nein, eigentlich war ich nicht überrascht, mir war das schon bewusst: Seit zwei oder drei Jahren gibt es etwas, das ‒ glaube ich ‒ noch nicht theoretisch beschrieben worden ist, aber ich nenne es „narrativ aufgeladene Objektkunst“, d.h. dass es weniger um eine Hardcore dokumentarische politische Kunst geht, es geht auch ganz stark weg von einer figurativen Malerei, die relativ schwach vertreten war ‒ es war schon viel Malerei dabei, aber nichts davon hat uns als Jury überzeugt, denn es war nichts dabei, das mehr als ein copy und paste von Stilen der letzten Jahre war. Dabei handelt es sich um skulpturale Objekte, die nicht nur formalästhetisch nach modernistischen Prinzipien von bildhauerischer Qualität sind, sondern auch mit Erzählsträngen verknüpft sind, die aber erst entschlüsselt werden müssen. In diese Richtung gibt es einige Arbeiten, die deshalb die Hauptachse in der Halle bilden ‒ wir wollten nicht nur die Wände zupflastern mit Bildern. Einige Objekte wachsen auch an der Wand hoch, wie die Arbeit von Ulrike Buck, einer Stuttgarterin, mit modernistischen Arne Jacobsen Stühlen, die sie vom ausrangierten Mobiliar des Stuttgarter Kunstvereins hat und hier wiederum zusammengebracht hat. Blumige Objekte mit Gebrauchsspuren am schwarzen Holz der Stühle gehen an der Wand hoch.

Ulrike Buck: "Blüten", Sitzschalen der Serie 7 von Arne Jacobsen, 2009

Ulrike Buck: „Blüten“, Sitzschalen der „Serie 7“ von Arne Jacobsen, 2009

Es ist auch interessant für mich zu sehen, wie hoch die Qualität dieser Arbeiten war, denn ich bin manchmal skeptisch gegenüber Kunst von jungen Künstlern gewesen, die diese narrativen Objekte zusammenbauen, ohne richtig offenzulegen, worum es ihnen geht. Wenn es einfach nur sehr vage bleibt und es irgendeinen vermuteten Zusammenhang gibt, dann wird es mir einfach zu dünn, zu schwach. Aber hier gab es viele, die formulieren und überzeugend darstellen haben können, wie ihre Arbeit zu verstehen ist. Es ist sehr schön, auf etwas zu stoßen, was man in der Qualität noch nicht kennt. Ich habe mit meiner Kuratorenkollegin darüber gesprochen, wir waren wirklich beide sehr beeindruckt. Es hat mich gefreut, dass es nicht nur mir so geht.

Wie war insgesamt die Qualität der eingesendeten Arbeiten?

Narrativ aufgeladene Objektkunst? Normann Kaiser: "Der symbiotische Druck", keramische Masse, div. Materialien, 2009

Narrativ aufgeladene Objektkunst? Normann Kaiser: „Der symbiotische Druck“, keramische Masse, div. Materialien, 2009

Die Qualität war insgesamt sehr hoch. Klar, nicht auf allen Ebenen, aber bei der Auswahl der 26 ausgewählten Arbeiten ist die Qualität sehr hoch und geht auch über das Niveau heraus, was ich sonst von studentischen Ausstellungen gewohnt bin. Ich war sehr beeindruckt, dass es hier in der Umgebung sehr gute Akademien gibt: Frankfurt ist eine der Top-Adressen in Deutschland, aber auch Karlsruhe und Stuttgart. Mainz war auch mit einigen sehr guten Positionen vertreten, obwohl es eigentlich keine hochkarätige Ausstellungsstadt ist. Ich bin sehr zufrieden mit der Auswahl.

Haben sich eher Studenten beworben, die kurz vor dem Ende ihres Studiums stehen oder waren auch Studienanfänger dabei?
Das haben wir bei der Auswahl bewusst nicht berücksichtigt. Es war nicht so, dass wir ständig geschaut haben, wie weit die jeweilige Person im Studium fortgeschritten ist. Es waren sicherlich auch einige dabei, die eine überzeugend formulierte Arbeit erst am Ende ihres Studiums machen können. Hauptsächlich ging es darum, dass die Studenten zum Ablauf der Frist, also Ende September, an einer Akademie eingeschrieben sind. Es sind einige dabei, die jetzt ihr Studium abschließen. Aber dafür ist das Kunststudium ja auch da, dass man lernt, eine formulierte Arbeit vorstellen zu können. Dass das Studenten im zweiten Semester nicht können, ist selbstverständlich. Es wäre merkwürdig, wenn jemand im zweiten Semester eine Magisterarbeit über ein Thema schreiben könnte. In der Regel dauert es doch acht Semester, bis man die Werkzeuge gesammelt und einen Überblick bekommen hat, um sich an eine größere Arbeit wagen zu können. Bei den Künstlern läuft es da nicht anders. Manchmal schon, aber das ist nicht die Regel.

Eröffnung: 20. November 2009, 19 Uhr
Ausstellungsdauer
: 21. November 2009 bis 14. Februar 2010

 

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