Kritik
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6 Highlights der 6. Triennale der Photographie in Hamburg

Sieben Museumsausstellungen und zahlreiche Special und Satellite Shows sind bei der Triennale der Photographie in Hamburg an über 50 Orten in der ganzen Stadt zwischen dem 18. und 28. Juni zu sehen. Fast alle der Museums- und Galeriausstellungen laufen danach noch weiter, einige sogar bis Oktober. Während des Presserundgangs vergangenen Donnerstag wurden per Shuttle - Fahrerin Beate sei gegrüßt und gedankt - alle Museen angefahren, am Wochenende haben wir ein bisschen Gallery Weekend Hamburg gespielt und sind die Galerien abgelaufen. Und so konnten wir unsere 6 Highlights der 6. Triennale der Photographie für Euch zusammenstellen.

Zum ersten Mal seit ihrer Gründung hat die Triennale einen künstlerischen Leiter, der dem internationalen Festival einen thematischen Überbau gegeben hat. Der Gastkurator Krzysztof Candrowicz spannt die thematische Klammer weit, wenn er auf ein Zitat aus der Bibel zurückgreift, um einen Blick in die Zukunft der Fotografie zu werfen. Verheißungsvoll flackern die Worte The Day will come über den Hauptausstellungen der Triennale. When Water matters, ergänzt etwa das Bucerius Kunst Forum, der Kunstverein When Photography revises und die Hamburger Kunsthalle When there is Hope. Befragt wird sowohl die Zukunft der Fotografie als Medium der Dokumentation und Kommunikation, als auch die Zukunft als Thema in der Fotografie.

Thomas Henning, Fofftein. Leben und Arbeiten in Hamburg 1930-2014, Museum der Arbeit: When the Past meets the Future
19. Juni bis 27. September

Thomas Henning, Wandelhalle Hauptbahnhof, 1975, Foto SHMH Museum der Arbeit

Thomas Henning, Wandelhalle Hauptbahnhof, 1975, Foto SHMH Museum der Arbeit

Das Museum der Arbeit in Barmbek ist eines der entlegeneren Historischen Museen, in das sich Besucher der zentralen Hamburger Kunstmeile nicht so schnell verlaufen. Hier aber huschte uns nach dem Besuch zahlreicher Museen während des Presserundgangs das erste Mal ein freudiges Lächeln über das Gesicht, als wir die Street Photos von Thomas Henning sahen. Seit Mitte der 70er Jahre wohnt er im Hamburger Schanzenviertel und fotografiert dort sein Lebensumfeld unter dem Einfluss der New Color Photography von William Eggleston und Stephen Shore. Einen Cowboy in Bahrenfeld hat er 1975 fotografiert, der sich an den Zaun seines Privatstalls stützt: Betreten für Unbefugte verboten!

Außerdem werden dort Fotografien des Hamburger Bildjournalisten und freien Pressefotografen Gerd Mingram gezeigt. Zwischen 1930 und 1970 fotografierte er das Arbeits- und Alltagsleben in Hamburg. Um der Vergangenheit Hamburgs Bilder von deren Gegenwart gegenüberstellen zu können, wurden von den Historischen Museen vier Protagonisten des Fotografenkollektivs Sputnik Photos aus Warschau eingeladen. Adam Panczuk dokumentierte für das Museum der Arbeit, wie vor einigen Jahrzehnten noch Gerd Mingram, das Leben und Arbeiten in Hamburg.

Dougie Wallace, Stags, Hens and Shoreditch Wild Life, Freelens Galerie
20. Juni bis 4. September

Dougie_Wallace

Dougie Wallace, Shoreditch

Noch mehr klassische Street Photography gibt es von Dougie Wallace in der Freelens Galerie, Ecke Baumwall, zu sehen. Der Londoner streift nachts durch die Straßen und Bars von Blackpool und Shoreditch und fotografiert Feierwütige - mit Vorliebe Junggesellenabschiede. Diese Szenen sind Hamburgern von feiernden Engländern und zugereisten Junggesellen und -gesellinen in spe nicht fremd. Pinke Häschenkostüme, ahoi!

Pepa Hristova, The bartered Bride, Apartimentum
20. bis 28. Juni

Bulgaria 2014-2015 When an orthodox Roma is ready to marry, he can buy a bride to his liking just as he might buy the wedding cake or the flower bouquet. On the edge of legality - the practice is tolerated rather than permitted - Bulgaria’s minority has preserved an old tradition. Bridal markets are held several times a year where parents offer their young daughters for sale.  The last bridal market was held on a litter-strewn parking lot next to a major railway station. Backdrops with cityscapes ranging from the picturesque to the downright odd served to conceal the piles of trash. The young women were dolled up like synth-pop divas―tight clothes, high platform pumps, glamour, gold, and glitter.

Pepa Hristova, The bartered Bride, 2014-2015

Töchter orthodoxer Roma im heiratsfähigen Alter werden in Bulgarien zwei Mal im Jahr auf einem Brautmarkt feilgeboten. Pepa Hristova porträtiert in ihrer Serie die jungen Frauen, die sich schick zurecht gemacht haben, um den Männern auf dem Markt zu gefallen. Ihre Serie erinnert an die Beach Portraits von Rineke Dijkstra, nur stehen die jungen Frauen nicht vor einer realen Landschaft, sondern vor einer Kulisse. Da das Geschäft mit den jungen Bräuten in Bulgarien lediglich geduldet wird, findet der Brautmarkt auf einem zugemüllten Parkplatz statt. Die Kulissen gaukeln eine schöne Gegenwart und eine noch schönere erhoffte Zukunft vor. Im Apartimentum wiederum hängen die großformatigen Porträts vor kühlen Betonwänden.

Volker Hinz, Area revisited, Area
19. bis 28. Juni

Das Hamburger Area im Oberhafenquartier mit Fotografien von Volker Hinz.

Im Oberhafenquartier, das hinter den Deichtorhallen und dem Haus der Photographie liegt, sind aktuell noch drei Ausstellungen zu sehen - wenn man den Olympus Photography Playground dazu zählt. Weitaus spannender als das Schlangestehen, um selbst Fotos zu machen, die in Hamburg gerade alle machen, ist das Ausstellungsprojekt Area Revisited, das ein kleines Gesamtkunstwerk ist. Eine alte Lagerhalle in Lower Manhattan war zwischen 1983 und 1987 der Place to be im New Yorker Nachtleben. Alle waren sie da: Andy Warhol, Keith Haring, David LaChapelle und der Hamburger Volker Hinz. Er fotografierte im Area. Anlässlich der Triennale wird in einer Lagerhalle im Oberhafen seine Porträtserie LGBT gezeigt, Andy Warhol hängt als Banner von der Decke herab und über 1000 weitere seiner Fotos werden in einer Soundinstallation projiziert. Die Schlange vor dem Playground also einfach rechts liegen lassen und ein paar Meter zwischen den Lagerhallen entlang zur Nr. 4 laufen.

Penelope Umbrico, Signal Stills, Museum für Kunst und Gewerbe: When we share more than ever
19. Juni bis 20. September

MPenelope Umbrico (Kapitel | chapter: Sharing Products) Signals Still, 2011 C-Prints, 23 x 30 cm Courtesy Mark Moore Gallery, USA, and XPO Gallery, Paris © Penelope Umbrico

Penelope Umbrico, Signals Still, 2011 C-Prints, 23 x 30 cm Courtesy Mark Moore Gallery, USA, and XPO Gallery, Paris © Penelope Umbrico

Im Museum für Kunst und Gewerbe geht es in der Ausstellung When we share more than ever um den täglichen Konsum und Austausch von Bildern in sozialen Netzwerken und den Wandel des Mediums Fotografie. Penelope Umbrico beispielsweise sammelt in ihrer Arbeit Signal Stills Produktfotos von blind leuchtenden Bildschirmen. Die Fotos wurden von den ehemaligen Besitzern der Geräte gemacht, um sie bei eBay oder Craigslist als noch funktionierende Bildschirme zum Verkauf anbieten zu können. Umbrico arrangiert die Fotografien zu einem mosaikartigen Tableau. Der Fotograf der Gegenwart muss nicht mehr selbst zum Fotoapparat greifen, er eignet sich einfach fremde Fotografien an und demonstriert damit einmal mehr ihre allgegenwärtige Verfügbarkeit.

Phillip Toledano, When Man falls, Haus der Photographie Deichtorhallen
19. Juni bis 6. September

#boschholdinghands mit Phillip Toledano. Das Foto entstand während der Pressekonferenz im Haus der Photographie. The artist was present. André Krüger hält für sein Fotoprojekt #boschholdinghands mit berühmten, weniger berühmten und unbekannten Menschen Hand.

Zugegeben, die Einzelausstellung des New Yorkers Phillip Toledano im Haus der Photographie ist kein Geheimtipp. Dennoch ist die Ausstellung eines der Highlights der diesjährigen Triennale und darf hier nicht fehlen. Der New Yorker befasst sich in seinen Arbeiten mit der Zukunft des Menschen in persönlichen und gesellschaftlichen Perspektiven. In seiner Serie Maybe (2011-2015) dekliniert er seine eigene Zukunft mit Hilfe von Maskenbildnern, Schauspielern, Psychologen und Wahrsagern durch. Wie sieht er selbst in 30 oder 40 Jahren aus? Was wird aus ihm beruflich?

Das Festivalticket kostet 60, ermäßigt 40 Euro und ist zwischen dem 18. und 28. Juni gültig. Einzeltickets kosten zwischen 5 und 12 Euro, ermäßigt zwischen 3 und 7 Euro. Der 7-bändige Katalog zu den Hauptausstellungen kostet 38 Euro. Alle Informationen zu den Ausstellungen und zum Rahmenprogramm finden sich auf der Homepage der Triennale der Photographie.

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