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Neurotische Akteure auf der Bühne des Kunstmarktes

„Harmony is a capitalist plan to sell pianos“, rechtfertigt Klangkünstler Adrian Jacobs seine schrägen Kompositionen, die den ungeschulten Hörer eher an das Scheppern amerikanischer Hinterhöfe oder Katzenjammer als an Kunst erinnern. Dass Adrian ein Meister der atonalen Musik ist, davon ist die Galeristin Madeleine Gray überzeugt und engagiert ihn prompt in ihrer Galerie zu performen. Erfreut und zugleich verwundert über die flammende Begeisterung der Galeristin nimmt er ihre Einladung an, den erhofften Durchbruch bedeutet das Engagement jedoch nicht: Adrian sieht sich während des Auftritts, wie so oft, mit Gelächter und einer Fluktuation unter den Gästen konfrontiert - ein Zustand, der ihn zum gnadenlosen Zyniker macht.

Die Komödie (Untitled) besticht schon zu Beginn durch die Skurrilität ihrer Charaktere, die sich in den absurden Verwicklungen des New Yorker Kunstmarktes nur zu gut einpassen und bestehende Clichés bedienen. Da gibt es den getriebenen Künstler, der überzeugt von seiner Arbeit nicht versteht, warum niemand so recht etwas mit seiner Musik anzufangen weiß, vielmehr noch, warum sie abgelehnt wird. In Antithese dazu steht sein Bruder Josh, selbst ein erfolgreicher Maler, der gefällige Kunst für Krankenhäuser und Arztpraxen produziert und damit jeglichen intellektuellen beziehungsweise konzeptuellen Anspruch an seine Kunst vermissen lässt, deren Qualität er allein an Form und Farbigkeit misst.

Kunst für die Praxis? Detailverliebt: Vögelchen und anderes Getier.

Dazwischen findet sich die Galeristin Gray, die Joshs Bilder als Finanzdepot im Hinterzimmer aufbewahrt,  in ihrer Galerie aber nur unkommerzielle Kunst zeigen möchte. Man möchte es fast schon eine Manie nennen, die sie antreibt stets neue, unkonventionelle Künstler zu suchen, deren Kunst schwer vermarktbar und für sie daher wahrhaftig ist. Ausgestopfte Tiere in sonderbaren Installationen, etwa ein sich im Spiegel betrachtender Hirschkopf auf einem Friseurstuhl, erinnern schnell an die eingelegten Tierkörper Damien Hirsts.

Unterstützt in ihrer Arbeit wird Gray durch den geldschweren, aber nicht allzu kunstversierten Sammler Porter Canby, der über sich selbst sagt „Art makes me seem like I’m not such a dull guy“, und sich mit diesen Worten versehentlich selbst karikiert. Seine Sammlung ist beachtlich, es findet sich etwa Donald Judd im Esszimmer, und Canby lässt sich von Galeristin Gray regelmäßig davon überzeugen noch mehr zu kaufen und dabei ihre vermeintlich neuen Meister zu unterstützen. Dazu gehören auch die minimalistischen Arbeiten des autistischen Monroe, der mit Stecknadeln und Notizzetteln, die er an Wände montiert, dem Betrachter neue Welten eröffnen möchte, auch wenn diese sich niemanden so richtig erschließen wollen.

Diese Art von Kunst versteht Josh nicht, und so wird er zeitweise zur Identifikationsfigur des Betrachters: Man schreitet gemeinsam mit ihm die Räume der Galerie ab und liest Titel wie Wall surrounding Space, die besonders gut auf die absurde bis fast willkürliche Auswahl der Galeristin Gray, stellvertretend für einen ganzen Kunstmarkt, aufmerksam machen. Und so wird die heute ebenso wichtige wie schwierige Frage nach Wertkriterien und Qualitätsmerkmalen zeitgenössischer Kunst als zentrales Moment des Filmes persifliert.

Kuh in Scheiben: Damien Hirsts „Some Comfort Gained from the Acceptance of the Ineherent Lies in Everything“, 1995.

Dem Regisseur Jonathan Parker geht es jedoch nicht um die Analyse und das Finden von Antworten, er dokumentiert lediglich die Verrücktheiten des heutigen Kunstmarktes auf höchst humoristische Weise. Zeitweise schießt er jedoch bei seiner Darstellung über das Ziel hinaus und die Witze nehmen durch ihre starke Überzogenheit sich selbst den Witz. So belässt Parker es nicht dabei, dass Adrian während eines Jobs als Barpianist ob der Ignoranz der Gäste die Fassung verliert und in sein seichtes Geklimper dissonante Töne und Variationen einbaut, die vom Publikum jedoch zunächst unbeachtet bleiben, nein der Pianist gerät vollkommen in Rage und haut wütend auf die Tasten ein ‒ die Gäste flüchten und Adrian wird entlassen.

Einmal mehr wird dem Betrachter dadurch ein Blick auf eine von jeglicher Ratio abgeschlossene Kunstwelt vermittelt, in der lediglich neurotische Akteure auftreten und in der mit analytischen und sachlichen Argumenten kein Preis gewonnen werden kann. Besonders die letztliche Wandlung Adrians, nach der der Musiker plötzlich beginnt harmonische Stücke zu komponieren, nimmt dem Film seine Glaubwürdigkeit.

Insgesamt ist (Untitled) jedoch ein durchaus sehenswerter Film, eine amerikanische Komödie, die wahrhaft Neues leider nicht vermitteln kann.

http://www.youtube.com/watch?v=Q9myaiQs3GI

1 Kommentare

  1. Maximilian Pascheberg sagt

    Das Problem der Verständlichkeit moderner Musik manifestiert sich (nicht nur) in zwei neueren kontroversen Artikeln der Zeit:
    http://www.zeit.de/2009/43/N-Musik-und-Hirn (mit lesenswerten Kommentaren)
    http://www.zeit.de/2009/45/N-Musik-Replik

    in die selbe Kerbe schlägt das vielbeachtete Buch „The rest ist noise“ von Alex Ross: http://www.perlentaucher.de/buch/32975.html

    „Who Is Afraid of 20th Century Music?“
    Als Hintergrundlektüre ist die kurze, verständliche und unterhaltsame Einführung von Ingo Metzenmacher weitaus mehr zu empfehlen:
    http://www.perlentaucher.de/buch/20079.html

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