Essay
Schreibe einen Kommentar

„Feminism is Trending“. Über Feministinnen und Nicht-Feministinnen

„Ich bin Feminist.“ Wenn der kanadische Premierminister Justin Trudeau sich auf Twitter für den Feminismus ausspricht, explodiert der Kurznachrichtendienst. Bis die Gleichstellung von Männern und Frauen politischer Mainstream ist und das Bekenntnis zum Feminismus nur noch mit einem Schulterzucken zur Kenntnis genommen wird, konfrontiert er Twitter weiter damit. Da ein anderer mächtiger Mann es für normal hält, Frauen einfach zwischen die Beine zu greifen, während ihm immerzu eine gigantische feuerrote Krawatte im Schritt hängt, muss Trudeau bis auf Weiteres Kontra geben. Und das nicht nur Donald Trump, dem mächtigsten Mann der Welt mit dem mächtigsten Phallus der Welt.

Währenddessen kämpfen junge Netzkünstlerinnen der so genannten New Wave of Feminism auf Instagram, Tumblr, Facebook und Twitter in anderen Schlachten mit ihren Smartphones und Hashtags für die Akzeptanz von Körperhaaren, Körperflüssigkeiten und Hautunreinheiten. Sie fotografieren sich in ihren pinken Mädchenzimmern mit Haaren unter den Achseln, Pickeln im Gesicht und Blut im Höschen, bis diese Bilder mit einem Schulterzucken und dem Kommentar „OMG. You are so pretty“ zur Kenntnis genommen werden.

Die Künstlerin Nicole Ruggiero sagt: We chose to do a bedroom because we wanted to create an intimate space since we are dealing with the idea of digital intimacy and the recreation of that in real life. When we are in our bedrooms we are usually alone or with someone very close and feel the most comfortable being ourselves. Our devices also act as intimate spaces and we wanted to reveal that by equating it to the bedroom space as well. Ausstellungsansicht: Slide to Expose. A collaborative augmented reality installation between Nicole Ruggiero, Molly Soda and Refrakt (Berlin) at Babycastles, New York.

SLIDE TO EXPOSE @babycastles gallery from Clusterfuck on Vimeo.

Es gibt nicht den einen Feminismus. Aktuell erscheinen Publikationen, in denen Autorinnen wie Jessa Crispin unter dem Titel Why I Am Not A Feminist: A Feminist Manifesto den Lifestyle-Feminismus kritisieren oder Andi Zeisler unter dem Titel Wir waren doch mal Feministinnen. Der Ausverkauf einer politischen Bewegung den Marktfeminismus auseinandernehmen. Die Botschaft ist eindeutig: Wenn jede*r ein*e Feminist*in ist, weil es zum guten Ton gehört, in ist und hervorragend als Marketing Strategie funktioniert, muss sich neu positioniert oder überhaupt positioniert werden. Zeisler schreibt:

Beim Marktfeminismus geht es in vieler Hinsicht nur darum, dem Feminismus einen Markenstempel aufzudrücken und ihn als Identität zu präsentieren, die jede*r konsumieren kann und sollte. Theoretisch ist das gar nicht so schlecht, aber in der Praxis besteht die Tendenz nur die attraktivsten Eigenschaften dieser vielschichtigen Bewegungen herauszustellen. Alle Themen, die weniger spektakulär oder zu komplex sind, werden unter den Teppich gekehrt, und es wird suggeriert, wir kämen garantiert auf sie zurück, wenn erst mal alle im Boot sind.

„Feminism is trending“, konstatiert Jessa Crispin und führt auf 151 Seiten aus, warum das irgendwie nicht ganz so gut ist, wie es vielleicht klingen mag:

In order to make feminism palatable to everyone, they have to make sure no one is made uncomfortable by feminism’s goals; so the women who advocated for radical societal change are out. Making people uncomfortable was feminism’s whole point. In order for a person, or society, to make drastic changes, there has to be a mental or emotional cataclysm. One has to feel, strongly, the need for change before change will willingly be made. And a feminism where everyone is comfortable is a feminism where everyone is working for their own self-interest, rather than the interest of the whole. So, while feminism has become more fashionable, the actual feminist work of creating a more equal society is as unfashionable as it has ever been.

Mit jeder Welle des Feminismus und jeder Generation feministischer Künstlerinnen haben sich die Prioritäten und Medien und mit den Medien die Möglichkeiten verschoben. Wenn wir bei der Kunst bleiben: Marina Abramovic führte 1974 mit ihrer 6-stündigen Performance Rhythm 0die weibliche Passivität vor Augen. Besucher konnten 72 Objekte von einem Tisch nehmen und ihrem Körper damit zu Leibe rücken. Martha Rosler setzte dem Stereotyp der Frau als Heimchen am Herd und ihrer Repräsentation in den Massenmedien die Parodie Semiotics of the Kitchen entgegen.


Wer weiterlesen möchte, kann das auf Goethe.de vom Goethe-Institut tun. 

Bilder: Slide to ExposeA collaborative augmented reality installation between Nicole Ruggiero, Molly Soda and Refrakt (Berlin), Babycastles, New York. 

 

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *