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2016.3: Über eine teure Kartoffel, fesche Skilehrer und einen Kameramann für Periscope

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Unter dem Stichwort Aufgelesen versammeln wir Fundstücke aus dem Netz. Leseempfehlungen sowie Kurioses über Kunst und fern der Kunst findet hier seinen Platz.

Die guten Nachrichten zuerst. Ein Foto von einer Kartoffel wurde für $ 1.000.000 verkauft. Der Fotograf der Kartoffel ist Kevin Abosch. Wenn er nicht gerade Kartoffeln fotografiert, porträtiert er Geschäftsleute im Silicon Valley. All die Reichen und Berühmten gehen zu Abosch, berichtet PetaPixel. Die Kosten für ein Fotoshooting mit Abosch: $ 150.000. Im Vergleich zum teuer gekauften Foto von der Kartoffel vor schwarzem Grund allerdings ein Schnäppchen. Okay, wenn man das eigene Porträt kommerziell nutzen möchte, kommt man auf einen Preis von $ 500.000. Warum Abosch Kartoffeln fotografiert?

“Kevin likes potatoes because they, like people are all different yet immediately identifiable as being essentially of the same species,” his studio tells PetaPixel. “He has photographed many potatoes. This one is one of his favorites.”

Ob er die anderen Kartoffel-Porträts wohl auch so teuer verkaufen wird?

Der eine fotografiert Lebensmittel, der andere entscheidet sich ganz bewusst dazu, sie einen Tag nicht zu konsumieren. Die Rede ist von Chris Martin, dem Sänger von Coldplay. Dem hat nämlich jemand erzählt, ein Dude, nicht der Dude, man fühle sich gesünder, wenn man einen Tag nichts isst. Und das macht Chris Martin nun auch. The Cut findet das amüsant.

„I think that that feeling of gratitude and stuff naturally brings out a joyous feeling.“ — Chris Martin on not eating food one day per week ’cause some dude notably did NOT tell him that it would make his body actually be healthier.

All right, my man.

„And also when you’re hungry you are very focused.“

Okay, dude.

„So both sides of it I think help creativity.“

Mmhm.

As they say: Feed a fever, starve a Coldplay.

Von lust for food geschwind zu Lust for Life. Denn wo wir gerade beim Thema Musik sind, sei das kurz am Rande erwähnt: Iggy Pop und Josh Homme machen gemeinsam Musik. Die Platte heißt Post Pop Depression und wird im März erscheinen. Was die beiden Musiker über das gemeinsame Projekt erzählen, steht in der New York Times.

Die guten Nachrichten nehmen gar keine Ende: Michael Stipe ist seit fünf Wochen auf Instagram aktiv. Die Info in seinem Profil sagt eigentlich schon alles: „Meme, Myself and I!!!!“ Ob er sich dafür Ausrufezeichen bei Til Schweiger borgen musste? Ai Weiwei jedenfalls tritt er mit seinem Account ein wenig auf die Füße. Das Selfie hier ist nun aber wirklich schön:

Patti Smith!! ⚓️Happy Birthday Oh Beautiful One!!!⚓️ #pattismith #thewatchcaps

A photo posted by @michaelstipe on

Terry Richardson derweil feiert auf Instagram etwas anderes: Baby Shower. Er bekommt nämlich Nachwuchs. Mehr dazu auf jetzt.de, da ist sowieso
gerade alles neu. Schaut es Euch an, dieses #jetztneu.  

💦💦💦

A photo posted by Terry Richardson (@terryrichardson) on

Ganz so aufregend wie das Leben von Musikern und Künstlerns, ist das Leben einer Juniorprofessorin offenbar nicht. Im Karriere Spiegel jedenfalls fragt sich eine Junior-Professorin: „Bin ich so langweilig?“

Ich mag den Gedanken, Menschen etwas beizubringen. Aber was genau bei den Studenten ankommt? Keine Ahnung. Ich schaue oft in leere Gesichter. Manche spielen mit dem Handy, andere gucken in die Luft oder quatschen mit dem Nachbarn. So was verunsichert mich. Bin ich so langweilig? Aber in solchen Momenten erinnere ich mich daran, wie es mir selbst als Studentin ging. Ich habe auch nicht immer aufgepasst.

Furchtbar aufregend findet sich derweil die mobile Boheme. Den Eindruck erweckt zumindest einer ihrer Vertreter. Der Philosoph Philipp Hübl. Professoren und andere Universitätsmitarbeiter wohnen ja schon lange nicht mehr an den Orten, wo sie einen Lehrstuhl innehaben oder unterrichten. Wohnen in Berlin oder Hamburg, unterrichten in Göttingen, Heidelberg, Freiburg, Passau oder anderswo. Pendeln heißt das Zauberwort, denn wer zieht schon für einen Zweijahresvertrag und eine Stelle, die nur zwei oder drei Tage Anwesenheit erfordert in die Provinz? Irgendwie niemand. Denn nicht anders erklärt Hübl in der Zeit das Phänomen der Verlagerung des Intellektuellencafés ins BahnComfort-Abteil des ICE.

Man erkennt die Geistes- und Sozialwissenschaftler im Abteil sofort. Sie spielen nicht Call of Duty und schauen keine amerikanischen Serien auf ihren Laptops, sondern bauen die letzten Folien für ihre Vorlesungen oder halten Bücher in den Händen, die blauen Bände von Suhrkamp oder die gelben von Reclam. (…) Die Zug-Intellektuellen zetteln gern mal eine Diskussion mit Fachfremden an. Der Juradozent streitet mit seinem Gegenüber über das neoliberale Wirtschaftssystem („Ich vertraue nur noch Oskar Negt!“), und ein langhaariger Soziologe erklärt einem besorgten Bürger geduldig, warum man vor Flüchtlingen aus Syrien keine Angst haben muss.

Das nennt man dann wohl Bildungszugfahren.

Und noch ein Erfahrungsbericht. Ende November fand im Städel Museum anlässlich des 200-jährigen Jubiläums ein Community-Abend statt. Das Städel lud ein, die Online-Community kam. Und twitterte, bloggte und instagrammte unter #200jahrestaedel. Da nicht alle auf eigene Kosten nach Frankfurt reisen konnten bzw. gar nicht genug Platz im Museum gewesen wäre, wurde erstmals live via Periscope gestreamt. Das Städel wäre nicht das Städel, wenn es nicht professionell an die Sache heranginge. Nur braucht es eine Filmproduktions-Firma, die einen Kameramann mit vermeintlich notwendigem Equipment wie einem Schulterstativ und externen Mikrophonen stellt? Ist das nicht so, als würde man für Fotos auf Instagram einen professionellen Fotografen mit hochwertiger Fotoausrüstung neben sich herschleifen? Instagram, Snapchat, Periscope … das Schöne ist, dass eigentlich alle mit den gleichen technischen Voraussetzungen arbeiten, nämlich einem Smartphone und vielleicht ein paar Apps zur Bearbeitung von Bildern und Videos – Periscope streamt übrigens live. Es darf ruckeln und rauschen. Kein Grund also, neidisch nach Frankfurt zu blicken. Es braucht kein großes Budget, keine Produktionsfirma, keinen Kameramann und kein Equipment. App runterladen, mit Twitter connecten und draufhalten. Hans Ulrich Obrist und das ZeitMagazin machen es gelegentlich tiefenentspannt vor.

Und auch Ai Weiwei und Paris Hilton haben tiefenentspannt in Kameras gelächelt. Vergangene Woche in der französischen Metropole, als Ai Weiwei seine Ausstellung eröffnete, und Paris auf ein Selfie rumkam. Mehr Bilder von der Eröffnung gibt es hier.

 

A photo posted by Ai Weiwei (@aiww) on


Wer die Ausstellung von Ai Weiwei in London verpasst hat, kann sich das alles jetzt in einer „interactive journey“ ansehen. It’s Nice That dazu:

The exhibition has been captured in stereoscopic 3D and consists of navigable imagery, video and audio channels. Expert commentary on the work is provided by the co-curators of the exhibition Adrian Locke and Tim Marlow, narration by news reader John Snow and a contribution from Wikileaks founder Julian Assange.

Wo wir gerade von interaktiven Ausstellungen sprechen: Vor ungefähr zwei Jahren hat Amalia Ulman ihre Instagram-Performance „Excellences and Perfections“ gemacht. Schnell auf Instagram eine falsche Identität konstruiert, inklusive einer vorgetäuschten Schönheitsoperation und gescheiterter Modelkarriere, fertig ist das Kunstwerk. Vor ein paar Monaten konnte man sich noch fragen, wer eine Arbeit kauft, die nur aus einer Timeline besteht. Jetzt werden Teile der Arbeit in zwei Ausstellungen in London gezeigt, in der Whitechapel-Gallery und in der Tate Modern. Der Telegraph wähnt sich der Zukunft ein Stück näher und vermutet hier das erste Instagram-Meisterwerk. Was wäre der Kunstwelt also entgangen, hätte sich Ulman eine Pause von Instagram gegönnt. Das hat zumindest die Fotografin Linda Scheynius getan. Im Interview mit „Amuse“ spricht sie über die Angst, vergessen zu werden, und sie hat ein paar Ratschläge für Social Media-Abstinenzler.

dear followers, i haven’t posted for a few months and wanted to give you an explanation. i joined flickr in 2006. and then facebook and tumblr and instagram. for almost 9 years i have sent my photographs out to the world through the internet and gotten a response back. i have mostly received praise for my work. watching the likes and comments come in became a normal part of my life. it’s been amazing, and definitely inspired me to keep working. but instagram just got too much for me. so instant and it is always possible to check it, and so many people are on it. i was addicted. i had a load of anxiety earlier this year and i thought instagram was a way to relieve my anxiety and so i spent a ton of time online, but i really think it just added to it. to my surprise i found myself having thoughts like “how do i get more instagram followers?”. in april i decided to delete the app from my phone and focus all my attention on the real world instead. and i am feeling better. i still take pictures and i still love taking pictures. maybe in the future i will be more present online again, i do not know yet. i wanted to say hi anyway and thank you for always being so amazingly supportive. loads of love lina ❤️ A photo posted by Lina Scheynius (@linascheynius) on


Dass dem Internet die Zukunft gehört, ist irgendwie eine triviale Aussage. Was aber wahrscheinlich nur Wenige mitbekommen haben: Skifahren gehört der Vergangenheit an. Das liegt auch daran, dass der popkulturell etablierte Typus des feschen Skilehrers, inkarniert von Hansi Hinterseer, eher in die 1970er als in die Gegenwart gehört. Das liegt aber nicht nur am mangelnden Schnee, erklärt Bernhard Torsch in der Jungle World.

Dazed äußert den Verdacht, dass auch der Typus des neoliberalen Unternehmerkünstlers der Vergangenheit angehört. Stattdessen: politisch interessierte und engagierte Künstler, die auch noch zusammenarbeiten! So suggeriert es zumindest die Ausstellung „What A Time To Be Alive„.

„Why Have There Been No Great Women Artists?“ fragte die Kunsthistorikern Linda Nochlin 1971. 2015 fragt artsy: Warum gibt es so viele Frauen in der Videokunst? Und liefert ein Best-Of gleich dazu, darunter Dara Birnbaums, äh, Hommage an Wonderwoman und Sarah Morris‘ „Miami“.

Eben hieß es noch, dass Skifahren eine aussterbende Sportart ist. Das gilt aber wirklich nur für’s Skifahren, denn es scheint ganz so, als wäre Sport unentrinnbar zur Generalmetapher für unser Dasein (Verzeihung) geworden, sagt Robert Redecker:

Der Sport macht sich breit. Dessen Allgegenwart stellt eine tödliche Usurpation dar: Es wird der Kultur zum Verhängnis, wenn die Sportinformation ihren Platz beansprucht. Der Sport hat eine totalitäre Struktur: Es ist heute bei uns ebenso unmöglich, ihm zu entrinnen, wie dies bei der ideologischen Propaganda im Nazideutschland, in Stalins UdSSR oder im maoistischen China möglich war. Clausewitz definierte den Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Der Sport ist die Fortsetzung des Totalitarismus mit anderen Mitteln.

Der Romanautor, Fotograf und Kunsthistoriker Teju Cole hat ein Interview gegeben. Mit dem Radiosender Kera spricht er darüber, dass die USA immer noch ein ziemliches Rassismusproblem haben, und darüber, was Fotografie damit zu tun hat.

Demnächst ist übrigens auch wieder Berlinale. Wer also beim Smalltalk mit Cineasten bestehen möchte, sollte sich die Liste deutscher Filmklassiker ansehen, die das Berliner Stadtmagazin Zitty zusammengestellt hat.

Zum Schluss haben wir noch eine kurze Dokumentation über eine Aussterbende Berufsgruppe: Rapper, die ihre CDs persönlich an öffentlichen Orten promoten.


Unsere Leseempfehlungen lassen wir diese Woche mit der besten Neuigkeit überhaupt ausklingen. Der erste Promo Teaser für die neue Staffel von „Girls“ ist da:

 

 

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