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Kunst, Wissenschaft, Gott und die Welt

Kunsthistoriker werden an der Kunstakademie Münster nicht ausgebildet, sie ist Ausbildungsstätte für angehende Künstler und Kunstlehrer. Dennoch gibt es dort, wie es an Kunstakademien Gang und Gäbe ist, auch kunstwissenschaftliche Professuren. Diese verfolgen das Ziel, dass sich die Kunstschaffenden ein Grundgerüst an Kunsttheorie und Kunstgeschichte aneignen. Außergewöhnlich im Umgang mit der Kunstwissenschaft in Münster ist das Kolloquium „Kunst und Wissenschaft im Gespräch“, das seit 2009 regelmäßig mehrmals im Jahr stattfindet und nicht nur für Kunst- und Lehramtsstudenten, sondern auch für angehende Kunsthistoriker und Doktoranden aus Münster, aber auch von anderen Universitäten zugänglich ist. Durch diese Regelmäßigkeit wird gewährleistet, dass die Studierenden und Dozenten über einen längeren Zeitraum in Kontakt bleiben können.

Initiiert wurde das Kolloquium von Claudia Blümle, die seit 2009 die Professur für Ästhetik und Kunstwissenschaft an der Akademie inne hat. Freundschaften zu Kunststudenten oder Künstlern während ihres Studiums seien für Blümle und ihre Kunstbetrachtung prägend gewesen, und diese Erfahrung sollen auch Studenten der nächsten Generation im gemeinsamen Austausch sammeln können. Neben Blümle engagieren sich vor allem Gerd Blum (Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Kunstkademie, derzeit Fellow am Exzellenzcluster „Kulturelle Grundlagen von Integration“ an der Universität Konstanz), Jürgen Stöhr (Vertretungsprofessur Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Kunstakademie), Stefan Hölscher (wiss. Mitarbeiter, Kunstpädagogik Kunstakademie) und Jan Lazardzig (Theaterwissenschaftler, Gastprofessor für Ästhetik an der Kunstakademie) beim Kolloquium.

Der Movens der Dozenten, so Blümle und Blum, sei es, zwei Bereiche miteinander zu verknüpfen, die (bisher) miteinander kaum vernetzt sind: „Es ist uns ein Anliegen diesen Dialog zu stiften.“ Außerdem sei es eine gute Möglichkeit, um zu sehen, was die nächste Generation an Künstlern und Kunsthistorikern beschäftigt.

Auf den Blickwinkel kommt es an: Künstler und Theoretiker eröffnen sich gegenseitig neue Perspektiven.

Das Prinzip und die Struktur des Kolloquiums könnten einfacher nicht sein: Kunststudenten und Meisterschüler stellen von ihnen ausgewählte praktische Werke vor, und Kunstgeschichtsstudenten und Doktoranden geben Einblicke in ihre theoretischen Projekte. So können sich junge Künstler darin üben, sich und ihre Arbeiten zu präsentieren und zu vermarkten; kunsttheoretisch Arbeitende bekommen Feedback nicht nur von Gleichgesinnten, sondern auch von den Kunstproduzenten. Somit werden bei den Präsentationen - ob vor Originalen oder im Hörsaal - schnell die zwei Sichtweisen der Theoretiker und Praktiker deutlich. Künstler sind – pauschal formuliert – zunächst eher an den handwerklichen oder ästhetischen Aspekten von praktischen Arbeiten interessiert, wohingegen Kunsttheoretiker Werke klassifizieren, beschreiben und interpretieren. Beide Ansätze vermischen sich jedoch in den Gesprächen rasch, so dass sich interessante Diskussionen entwickeln. Einfach ausgedrückt, es findet ein kreativer Austausch zwischen Theorie und Praxis statt, der beide Seiten zu inspirieren vermag.

Neben der Zusammenführung dieser beiden Perspektiven zeichnet sich das Kolloquium durch seine Freiheit aus. Keine Pflichtveranstaltung, keine vorgegebene Thematik. Hierin unterscheidet sich das Münsteraner Kolloquium von denen anderer Institute, bei denen nicht selten Anwesenheitspflicht oder thematische Grenzen herrschen, wie etwa bei Graduiertenkollegs. Es wird auf Studenten mit Interesse und Engagement gesetzt.

Die Bandbreite an vorgestellten Arbeiten resultiert aus der Vielfalt der Lehrenden. An der Kunstakademie werden die Studenten in Klassen von Kunstprofessoren meist in deren Metier betreut, so dass die beim Kolloquium vorgestellten Arbeiten von Street Art über Bildhauerei bis zur Malerei reichen.

In konzentrierter Atmosphäre stellen die Teilnehmer ihre Forschungsprojekte vor.

Die wissenschaftlichen Arbeiten haben vornehmlich Aspekte der Kunst oder Kunsttheorie von der Moderne bis zum Zeitgenössischen zum Thema, wobei Forschung zu anderen Epochen genauso gerne gesehen wird. Thematisch sind die Untersuchungen nicht an bestimmte Gattungen gebunden, sondern können Architektur, Bildhauerei und Malerei genauso umfassen wie Videokunst, Fotografie oder Performances.

Ergänzt wird das Programm des Kolloquium durch ein freiwilliges gemeinsames Abendessen, bei dem in entspannter Atmosphäre nicht nur über Kunst, sondern auch über „Gott und die Welt“ geredet wird. Pünktlich zum jährlichen Großevent der Akademie, dem Rundgang, findet Anfang des Jahres – neben weiteren Terminen im Sommer und Spätjahr – regelmäßig das Kolloquium „Kunst und Wissenschaft im Gespräch“ statt, so dass die Möglichkeit gegeben ist, die Akademie und deren Studierenden genauer kennenzulernen und unter die Lupe zu nehmen.

Die Teilnehmerzahl ist sehr angenehm: klein genug, um sich nicht in Anonymität zu verlieren und groß genug, um verschiedene Ansichten zu versammeln. Im Schnitt nehmen circa 30 Personen teil.

Die meisten Kunstgeschichtsstudenten kommen von außerhalb, beispielsweise aus Basel, Berlin, Heidelberg oder Konstanz. Diese Pluralität trägt ihr Übriges zur Qualität der Diskussionen bei, sind die Studenten doch meist von ihrer Heimatuniversität geprägt und gehen mit verschiedenen Ansätzen an – theoretische wie praktische – Arbeiten und Projekte heran. So ist die Lehre in Konstanz beispielsweise stärker auf Interdisziplinarität angelegt als die eher klassische Ausbildung in Heidelberg, die sich wiederum von den bildwissenschaftlichen Aspekten in Berlin oder Basel unterscheidet.

Vielfalt ist das entscheidende Stichwort in Münster – es zahlt sich aus!

Weitere Informationen rund um die Veranstaltung gibt es auf der Homepage des Kolloquiums.

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