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Außen Banane, innen Wurst

Er hat sich 1957 für ein Jura-Studium entschieden, da die Regelstudienzeit von allen zur Auswahl stehenden Studienfächern mit zehn Semestern für angehende Juristen, die längste war. Lang genug, dachte er, um sich als Künstler einen Namen machen zu können. Von seiner Kunst wollte er leben, nach zehn Semestern konnte er das noch nicht. Das war 1962. Seither waren seine über 300 Plakat- und Postkartenmotive, die unterirdisch in der Heidelberger Altstadt gelagert werden, in über 3.000 Ausstellungen zu sehen, 200 Editionen verlegte er für Joseph Beuys und 2006 wurde er schließlich zum Präsidenten der Akademie der Künste in Berlin gewählt. „Es ist nicht ganz einfach, sich Gehör zu verschaffen“, so Klaus Staeck, aber gerade das sei seine Aufgabe und die seiner Mitarbeiter in der Berliner Akademie.

Klaus Staeck: "Endstation Sehnsucht", 1986. © Klaus Staeck.

Klaus Staeck: "Endstation Sehnsucht", 1986. © Klaus Staeck.

Sich Gehör verschaffen, das könnte auch als Motto über Staecks künstlerischem Œuvre stehen, wie jetzt die Ausstellung „‚Nichts ist erledigt‘. Klaus Staeck: Frühe Plakate 1969-1989″  im Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg zeigt. Dort gründete er 1965 den Produzentenverlag „Edition Tangente, der heute den Namen „Edition Staeck“ trägt. Am Ursprungsort seines Wirkens werden nun die bekanntesten Plakate aus der Sammlung des langjährigen Oberbürgermeisters Reinhold Zundel, ergänzt durch solche aus dem Bestand des Museums präsentiert. Schreitet man die in der Ausstellung chronologisch gehängten Plakate Staecks ab, wird deutlich, dass seine sozialkritischen und politischen Themen aktueller sind denn je: Arbeitswelt, Dritte Welt, Friedenspolitik und Umweltverschmutzung sind nur einige seiner Themen. Realität 2009 ist, wie es 1986 mit einem Höchsstand der Arbeitslosigkeit seit dem Zweiten Weltkrieg der Fall war, dass es beim Arbeitsamt für viele heißt: „Endstation Sehnsucht. Das Tor zum Arbeitsamt ist auf dem Plakat vermauert, der Weg in die (darüber aufblitzende) Sonne damit nicht weiter begehbar. 

Auch das Plakat seiner ersten Aktion, die 1971 in Nürnberg anlässlich des dort groß gefeierten Dürer-Jahrs als Kontrapunkt zur Kunstvermarktung stattfand, ist in der Ausstellung zu sehen. Sein Sozialfall wurde an 300 Litfasssäulen angeschlagen: Das Plakat ziert die Zeichnung Albrecht Dürers von seiner 63-jährigen Mutter, unter deren verrunzeltem, eingefallenen Gesicht die Frage „Würden Sie dieser Frau ein Zimmer vermieten?“ zu lesen ist. Heute würde dort vermutlich geschrieben stehen: Kann sich diese Frau ein Zimmer leisten?

<p>Klaus Staeck: "Zurück zur Natur", 1985. © Klaus Staeck.</p>

Klaus Staeck: "Zurück zur Natur", 1985. © Klaus Staeck.

Staecks Fotomontagen, zumeist eine Kombination von Bild und ironisch-satirischem Slogan, rekurrieren häufig auf bekannte Werke aus der Kunstgeschichte. Neben Dürers Mutter, verwendete er beispielsweise dessen „Großes Rasenstück“, ein Unkrautidyll, das durch Staecksche Beigabe einer auslaufenden Dose eines Unkrautvernichtungsmittels vor der Vernichtung steht. Die skandalöse Idylle in Edouard Manets „Déjeuner sur l’herbe wird durch Berge von Cola-Dosen und einen-Mercedes-steht-im-Walde gestört.

Klaus Staeck: "Banane", 1990. © Klaus Staeck.

Klaus Staeck: "Banane", 1990. © Klaus Staeck.

Das sicherlich bekannteste Plakat ist Staecks Version der Banane von Andy Warhol. Seine „Banane“ ist keine Pflanze in Reinkultur, sondern ein Zwittergewächs: außen Banane, innen Wurst. „Peel slowly and see“ steht neben der Banane auf dem von Warhol gestalteten Plattencover von The Velvet Underground und Nico aus dem Jahr 1967 geschrieben. Als es noch Gimmick-Cover gab, konnte der Plattenliebhaber der Aufforderung nachkommen und die Banane selbst schälen - hervor kam pinkes Fruchtfleisch. Staeck präsentiert eine bereits geschälte Banane mit der Bildunterschrift „Jetzt wächst zusammen, was zusammen gehört“. Der Ausspruch geht auf die Rede Willy Brandts vom 10. November 1989 zurück, die er anlässlich der Wiedervereinigung vor dem Schönefelder Rathaus hielt. „Für welchen Teil des ehemals geteilten Landes die Banane und für welchen die Wurst steht, das wollte Staeck nicht verraten. Er hielt sich bedeckt.“, berichtet Ulrike Pecht, die Pressesprecherin des Kurpfälzischen Museums.

Zumindest die Wiedervereinigung ist erledigt - die weiteren politischen Herzensangelegenheiten Staecks, die über Jahre in seine Plakatkunst einflossen, werden die Politiker und die Gesellschaft noch eine Weile beschäftigen. Daher rührt auch der Titel der Ausstellung ‚Nichts ist erledigt': „Der Titel soll nicht etwa die zahlreichen Anfänge denunzieren […]. Er ist eher als Auftrag an die politisch Handelnden genauso wie an den mündigen Bürger zu verstehen“, so Klaus Staeck.

Die Ausstellung „‚Nichts ist erledigt‘. Klaus Staeck: Frühe Plakate 1969-1989″ ist noch bis 11. April 2010 im Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg zu sehen.
In der die Sonderausstellung begleitenden Vortragsreihe spricht am Mittwoch, 27. Januar 2010 ab 19 Uhr Klaus von Beyme über „Die 68er Bewegung und die Avantgarden der Kunst“.

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