Kunsthistoriker im Gespräch
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Kunst ist niemals krank

Bei Ihrem Vortrag „Der ‚Geisteskranke‘ als ‚Bildner‘. Sprachliche Identitätsentwürfe von künstlerisch tätigen Anstaltsinsassen um 1900“ im Rahmen der Heidelberger Tagung „Sprachliche Identitätsentwürfe in der Kunstkommunikation“ (Feb. 2010) haben Sie von einer „Ansammlung Prinzhorn“ gesprochen. Warum haben Sie diesen Begriff gewählt, immerhin ist Ihre Institution als „Sammlung Prinzhorn“ bekannt?

Unter Sammlung versteht man eigentlich das Ergebnis eines systematischen Zusammentragens von Einheiten, nehmen wir Kunstwerke. Die besten Kunstsammlungen stammen nicht von Kunsthistorikern, weil diese zu viele Vorlieben haben. Ein guter Sammler ist jemand mit eingeschränktem Blickwinkel, der sich auf das Zusammenstellen eines schlüssigen Fundus konzentriert. Bei Kunstsammlern kann man oft beobachten, dass sie mit einer zufälligen Entdeckung anfangen, dann konzentrieren sie sich aber auf ein bestimmtes Thema, eine Epoche oder einen Künstler; in der Folge sind sie blind für andere Kunst. Gerade dadurch entsteht eine Sammlung, die es wert ist, zusammengehalten zu werden. Sammler sammeln beispielsweise komplettierend, das heißt, sie tauschen ein Werk eines Künstlers gegen ein anderes von diesem aus, weil es besser in ihre Sammlung passt.

Sammlung Prinzhorn der Psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg.

All das hat Hans Prinzhorn nie getan, insofern ist der Heidelberger Fundus nicht der klassische Fall einer Sammlung, sondern – ironisch gesprochen – eine Ansammlung. Prinzhorn hat das genommen und behalten, was nach Heidelberg geschickt worden ist. Die Stärke der Sammlung besteht gerade darin, dass so unterschiedliche Werke da sind und auch so vieles, das Prinzhorn ästhetisch nicht gewertschätzt hat. August Natterer verstand er beispielsweise nicht, wenn er auch fasziniert von seinen Bildern war. Josef Heinrich Grebing mit seinen Auflistungen und seinem Vorhaben, den genauesten Kalender der Welt zu schaffen, konnte ihn noch nicht einmal faszinieren – im Grunde sehen Grebings Blätter bereits wie serielle Werke von Hanne Darboven aus. Prinzhorn hat das nicht als Kunst erkannt, für ihn waren das wahrscheinlich bloß Aufschreibe-Systeme. Und doch hat er die Werke bewahrt. Diese Toleranz ist dafür verantwortlich, dass man in Heidelberg immer wieder Neues entdecken kann. Die historische Sammlung umfasst mehr als 5.000 Werke; da ist sehr viel Spannendes dabei, das noch nie gezeigt wurde – etwa die Hälfte ist noch nie ausgestellt oder publiziert worden.

In den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts gab es eine Trennung zwischen den Klassen. Reiche konnten in ein Sanatorium gehen, wohingegen Arme in Anstalten verwahrt wurden. Wie kann man vor diesem Hintergrund von einer repräsentativen Sammlung sprechen?

Wir besitzen aus allen Klassen Werke. Tatsächlich haben wir aber weniger aus Privatsanatorien, was wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass diese nicht abgegeben wurden, da der Eigentumsanspruch größer war. Es sind mehr Werke aus Anstalten erhalten, weil diese einfach den Patienten weggenommen wurden.

Ein Beispiel für Kunst im Sanatorium: Ernst Ludwig Kirchner hat begeistert auf die Bilder von Else Blankenhorn reagiert, als er während des Ersten Weltkriegs, 1917/18, wie sie Patient im Sanatorium Bellevue am Bodensee war. Blankenhorn aber hat ihre Werke nie herausgegeben, keiner durfte sie ansehen. Erst nach ihrem Tod kam fast ihr gesamtes Werk nach Heidelberg. Wie hat Kirchner diese Bilder sehen können? Wir konnten zeigen, dass Blankenhorns private Pflegerin 1918 für zwei Wochen in Urlaub war, und dass die Ersatz-Pflegerin, die ihr der Arzt zuteilte, ihre Bilder sofort weggenommen hat. Nur so war es möglich, die Werke Kirchner zu Gesicht zu bringen.

Im Privatsanatorium Bellevue bei Kreuzlingen bekam Ernst Ludwig Kirchner 1917/18 die Bilder von Else Blankenhorn zu Gesicht.

Im Anstaltskontext war das kein Problem, denn dort kann man den Patienten die Bilder abnehmen. In Krankenakten von Patienten, die in der Sammlung Prinzhorn vertreten sind, finden sich immer wieder Beschwerden darüber, dass man ihnen künstlerische Werke weggenommen hat.

Werke aus Sanatorien unterscheiden sich deutlich von denjenigen aus Anstalten. Arbeiten in Öl auf Leinwand wie von Blankenhorn waren nur in Sanatorien möglich; in Anstalten hatte man nicht so wertvolle Materialien. An die Wiener Ausstellung „Madness and Modernity“ haben wir gerade ein drei Meter langes, aus Marginalspalten von Zeitungen zusammengeklebtes Papierband ausgeliehen, auf das eine Frau St. aus dem Sanatorium Oberdöbling gezeichnet hat. Das Material ist alltäglich, aber ein so großes Werk hätte man in einer Anstalt nicht aufbewahrt, da es zu sperrig war.

Keine Angst vor dem ‚horror vacui‘

Gibt es bei den Arbeiten in der Sammlung wiederkehrende gestalterische Verfahrensweisen? Prinzhorn nannte in seinem Buch „Bildnerei der Geisteskranken“ die Kombination von Heterogenem charakteristisch.

Jörg Katherndal hat kürzlich sogar die These aufgestellt, dass es um 1900 bereits das Klischee gab, Patientenwerke zeigten vor allem das unvermittelte Nebeneinander von Heterogenem. Gerade solche Werke seien deshalb für die Sendungen nach Heidelberg vorausgewählt worden. Wenn man sich die Sammlung ansieht, findet man das allerdings nicht bestätigt. Es gibt nicht viele Werke, die heterogene Bildelemente kombinieren. Die wenigen Beispiele, die wir bei „Surrealismus und Wahnsinn“ ausgestellt haben, bilden bereits den Großteil von Arbeiten dieser Art.

Es gibt keine Züge an Werken in unserer Sammlung, die signifikant häufig auftreten. Wenn man sich den Heidelberger Fundus ansieht, muss man mit entsprechenden Versuchen kapitulieren. Den so genannten ‚horror vacui‘ zum Beispiel, die Angst vor der Leere, die zum Ausfüllen jedes Freiraumes in einem Bild führt – auch oft als typisch herausgestellt – gibt es bei uns nicht oft. Die Sammlung enthält allerdings sehr viele konventionell aussehende Werke. Schon Prinzhorn hält fest, dass es formal und inhaltlich keine verbindlichen Merkmale für Patientenkunst gibt.

In Amerika gibt es viele Sammler so genannter ‚Outsider Kunst‘, die mit Vorliebe Kunst aus Europa um 1900 erwerben. Sie schätzen das Kleinteilige, Ziselierte, Saubere, das viele Arbeiten der historischen Sammlung charakterisiert. Ich glaube aber, dass auch das kein typisches Merkmal von Werken Schizophrener ist, sondern eine Art Zeitsignatur. Die Menschen der Jahrgänge 1820 bis 1900 sind unter sehr rigiden Erziehungsverhältnissen aufgewachsen und zu Sauberkeit und Ordnung getrimmt worden. Das schlägt sich auch in den Bildern nieder. Überhaupt fällt es schwer, an den Werken Züge herauszulösen, die von der Krankheit beeinflusst sind, und sie zu unterscheiden von solchen, die auf bildkulturelle Vorbildung oder auf die traumatisierende Situation innerhalb der Anstalt verweisen.

Versuche zur Selbstheilung

Derzeit gibt es offenbar ein großes Interesse an der Kombination von Schrift und Bild. Diesen Eindruck bekommt man, wenn man einen Blick nach London in die aktuelle van Gogh Ausstellung und nach Marbach in die Ausstellung „Randzeichen“ wirft. Auch viele Werke aus der Sammlung kombinieren Text und Bild.

Ja, davon gibt eine ganze Menge. Dafür kann man mehrere Erklärungen anführen. Mir fiele es schwer, eine Erklärung zu akzeptieren, die hierin nur einen Reflex von Krankheit sieht – ohnehin ist Kunst niemals krank, sondern immer nur gesund. Wenn Bilder etwas sind, dann Versuche zur Selbstheilung.

Zum einen erklärt sich die Mischung von Text und Bild möglicherweise daraus, dass diese Männer und Frauen oftmals ein sehr dringendes Anliegen hatten. Sie haben irgendetwas gesehen, hatten eine Vision und mussten diese übermitteln oder wollten unbedingt ihre Version der Geschichte erzählen, warum sie in die Anstalt kamen, und betonen, dass ihre Wahrnehmung der Realität entspricht. Das alles sollte möglichst deutlich übermittelt werden. Da die meisten kreative Laien waren und ihrem bildnerischen Können nicht vertrauten, setzten sie zusätzlich Schrift ein, oder sie verwendeten Zeichnungen, um etwas zu verdeutlichen, das sie schriftlich formulierten.

Zum anderen sind die Werke, die sie schufen, nicht unbedingt in der Tradition von Kunst zu sehen, sondern erheben beispielsweise den Anspruch, eine wissenschaftliche Abhandlung zu sein oder Erläuterungen zu bestimmten philosophischen Erkenntnissen zu bieten – dafür wurden neben Text auch Bilder eingesetzt. Es gibt weitere Kontexte, auch innerhalb der europäischen Kultur, für die Darstellungen mit Text eine Rolle spielen und die auch in den Werken der Sammlung einen Widerhall finden.

Gibt es typische Themen in der Sammlung?

Bestimmte Themen tauchen immer wieder auf wie das Perpetuum mobile, das für den Wahnsinn fast sprichwörtlich ist – darüber sollte die Sammlung Prinzhorn unbedingt einmal eine Ausstellung machen. Vor einigen Jahren sind wir vom WDR angeschrieben worden, mit Informationen über einen Mann im Rheinland, der sich immer wieder am Perpetuum mobile versucht. An seinem Haus bringt er riesige Räder an, die, einmal angestoßen, angeblich ewig laufen. Aufregend wäre es, sein Perpetuum mobile in einen Kontext zu stellen, denn auch professionelle Künstler wie Leonardo da Vinci haben sich an solchen Konstruktionen versucht. Und auch in der Sammlung Prinzhorn gibt es natürlich viele Beispiele. Sie stammen in der Tat immer von Männern; ich nehme an, dass dahinter psychologisch der Wunsch des Mannes steckt, selbst etwas Lebendiges in die Welt zu setzen.

Andere wiederkehrende Themen sind philosophische Systeme, Weltbeherrschungspläne, Größenphantasien – auch typisch männlich. Während Frauen beispielsweise oftmals ihre verlorene Habe darstellen oder Erinnerungen festhalten. Diese Unterschiede hängen sicherlich mit den Rollen von Mann und Frau in der damaligen Gesellschaft zusammen.

Neben der oftmals verblüffenden Originalität ist das Spannende an den Werken der Sammlung Prinzhorn – wie an anderer Kunst auch –, dass wir etwas über den kulturellen Kontext erfahren, in dem sich das Leben dieser Männer und Frauen abgespielt hat. Hier haben sich Perspektiven auf die damalige Gesellschaft niedergeschlagen, die sonst kaum dokumentiert sind. Die Biografien schließen sicherlich besondere, einschneidende und traumatische Erlebnisse ein, aber diese werden, wiederum wie bei anderen Künstlern auch, in den Werken verarbeitet – und nicht nur gespiegelt.

Zwangssterilisierung als Ausflug? Wilhelm Werner verarbeitet in über 40 Zeichnungen das traumatische Erlebnis.

Aktuell zeigen Sie Blätter des zwangssterilisierten Anstaltsinsassen Wilhelm Werner, von denen Sie 30 im Jahr 2008 erworben haben…

… und dann noch einmal 14 dieses Jahr. Die Arbeiten haben wir von einem Ehepaar angeboten bekommen, das mit dem Bewahrer der Werke, einem ehemaligen Verwaltungsangestellten der Anstalt, verwandt ist. Die Aschaffenburger Brass Stiftung hat uns den Ankauf und die besondere Rahmung ermöglicht.

‚Outsider Art‘ im Programm

Historische Patientenkunst ist rar. Sind Werke von Klassikern der Sammlung auch anderswo zu finden?

Es tauchen immer mal wieder Werke von Männern und Frauen auf, die in der Sammlung vertreten sind. Kürzlich hat uns zum Beispiel eine Galerie zwei Hefte von Oskar Voll, von ihm mit den immer gleichen, comicartigen Figurenszenen gefüllt, angeboten. Wir dachten, die Sammlung Prinzhorn sei die einzige, die Werke von ihm besitzt. Glücklicherweise sind die meisten Künstler in der Sammlung Prinzhorn exklusiv vertreten. Es gibt nur sehr wenige, die im Handel erscheinen, weshalb es keine Schätzung von außen gibt, was die Heidelberger Sammlung wert ist. Ich sehe das als Vorteil. Ich möchte nicht ständig mit einer Wertsteigerung der Werke konfrontiert werden – und vielleicht sogar mit Restitutionsforderungen.

Dabei muss man sagen: Alle Angehörigen, die bislang mit der Sammlung in Berührung kamen, waren froh, dass die Werke ihrer Verwandten hier geschätzt, ausgestellt und würdig präsentiert werden.

Gibt es einen Markt oder sind Sie darauf angewiesen, dass Familienangehörige mit Konvoluten auf sie zukommen?

Es gibt einen Markt. Vor einiger Zeit haben wir eine Ausstellung mit dem Titel „wahnsinn sammeln“ gemacht. Damals habe ich ein Interview mit der New Yorker Galeristin Phyllis Kind geführt, und sie sagte: „Thomas, give me one of your pieces and I will sell it in a nanosecond“. In Amerika gibt es einen hochpreisigen Markt, wobei man sagen muss, dass ‚Outsider Art‘ im Vergleich zu zeitgenössischer Kunst immer noch sehr günstig ist.

Auch hier in Deutschland gibt es Galerien, die sich auf ‚Outsider Art‘ spezialisiert haben, zum Beispiel Susanne Zander in Köln, Werner Fischer in Berlin oder die Galerie Wasserwerk. Mehr und mehr wird inzwischen von anderen Galerien ‚Outsider Art‘ mit ins Programm genommen, und auch Sammler zeitgenössischer Kunst interessieren sich jetzt dafür. Interessanterweise spielen unsere Ausstellungen dabei auch eine gewisse Rolle. Mir ist aufgefallen, dass die Ausstellung „Expressionismus und Wahnsinn“ dazu geführt hat, dass Leute, die Expressionismus gesammelt haben, jetzt auch ‚Outsider Art‘ sammeln, da sie den Zusammenhang sehen.

Kein Schnäppchen. Ein Heft von Oskar Voll kostet auf dem Markt für ‚Outsider Art‘ 100.000 Euro.

Es gibt also einen Markt, nur haben wir kein Geld, um auf diesem zu kaufen. Die Sammlung kann es sich nicht leisten, ein Heft von Oskar Voll für fast 100.000 Euro zu erwerben. Neulich wurden uns Zeichnungen von Heinrich Anton Müller, einem wichtigen ‚Outsider Art‘-Künstler, der vor allem bei uns und in der Collection de l’art brut in Lausanne vertreten ist, zum Kauf angeboten. Jedes Blatt sollte 15.000 Euro kosten, was noch relativ moderat ist, aber auch das können wir nicht aufbringen. Hochpreisige ‚Outsider Art‘ liegt zwischen 20.000 und 150.000 Euro.

Wir sind vor allem darauf angewiesen, dass man uns Werke schenkt oder als Dauerleihgabe überlässt. Nur selten einmal kaufen wir Werke, wie etwa die einzigartigen Zeichnungen von Wilhelm Werner. Langsam hat die Sammlung Prinzhorn allerdings auch gar keinen Platz mehr; wir bräuchten mehr Lagerraum. Mittlerweile besteht die Heidelberger Sammlung aus insgesamt 17.000 Werken.

Es fehlt jede Spur

Mit den Blättern von Werner ist ein einzigartiges Zeugnis aus der Zeit des Nationalsozialismus in die Sammlung gekommen. Wie hat die Sammlung vor dem Hintergrund der ‚entarteten Kunst‘ das ‚Dritte Reich‘ überlebt? Ab wann wurde die Sammlung aufgearbeitet?

Erst ab Ende der 1970er Jahre wurde die Sammlung aufgearbeitet. Bis dahin sind die Blätter in der Form, wie Hans Prinzhorn sie inventarisiert und aufbereitet hat, bewahrt worden. Prinzhorn hat einige Bilder in Passepartouts gesteckt, die mittlerweile abgenommen und durch säurefreies Material ersetzt worden sind. Er hat einige Ausstellungen damit im In- und Ausland bestückt. Anschließend wurden die Werke in Kisten und Kästen verwahrt. So beschreibt es auch Dubuffet 1950, man habe verschiedene Kästen für ihn geöffnet.

Die Sammlung hat den Zweiten Weltkrieg überstanden und die Präsenz einer der dunkelsten Gestalten der nationalsozialistischen Psychiatriegeschichte: Carl Schneider. Er war einer der Planer des so genannten „Euthanasie“-Programms, ist berüchtigt für Experimente mit Kinderhirnen und war ein Spezialist für Arbeitstherapie. Arbeitsfähigkeit brachte er in die Liste von Auswahlkriterien für das „Euthanasie“-Programm ein. Er hatte auch die Idee, einige Werke aus der Sammlung Prinzhorn 1938 mit in die Wanderausstellung „Entartete Kunst“ aufzunehmen (bei der ersten Station 1937 waren die Werke noch nicht dabei). Auch der schmale „Führer“ zur Ausstellung entstand erst 1938, und darin sind zwei Werke von dem Bildhauer Karl Genzel aus Heidelberg abgebildet.

Offenbar sind die Werke aus der Sammlung Prinzhorn, die in der Ausstellung gezeigt wurden, vernichtet worden. Ich bin sicher, dass kaum Werke von professionellen Künstlern aus der Ausstellung „Entartete Kunst“ zerstört worden sind und dass die verschollenen Werke, etwa Franz Marcs berühmter „Turm der blauen Pferde“, irgendwann wieder auftauchen werden. Solche kapitalen Bilder konnte man schließlich im Ausland zu Geld machen.

Taucht der „Turm der blauen Pferde“ von Franz Marc bald wieder auf?

Denken Sie nicht, dass die Neue Nationalgalerie jetzt bei der Neuhängung auf mögliche Spuren des „Turms der blauen Pferde“ gestoßen wäre? Das Werk wird aktuell in einer Schwarz-Weiß Reproduktion gezeigt.

Das Gemälde befindet sich irgendwo in Privatbesitz und wird irgendwann wieder auftauchen, davon bin ich überzeugt. Ich kenne auch Privatsammlungen, in denen Bilder namhafter Künstler hängen, die in keinem Werkverzeichnis zu finden sind.

So sicher bin ich mir bei Werken der Sammlung Prinzhorn nicht. Wahrscheinlich war auch der „Würgengel“ von Franz Karl Bühler, das Frontispiz von Prinzhorns Buch und heute eine Ikone der ‚Outsider Art‘, in der Ausstellung. Von ihm fehlt jede Spur.

Ob die Beteiligung an der Feme-Schau die Sammlung als Ganzes vor der Vernichtung bewahrt hat, das wird immer noch diskutiert. Carl Schneider selbst jedenfalls war nicht interessiert an Patientenwerken, da er meinte, die Produktion von Kunst halte die Anstaltsinsassen von richtiger Arbeit ab.

Andere Sammlungen haben die Nazi-Zeit tatsächlich nicht überstanden. Die wichtigste Konkurrenz-Sammlung zu der Prinzhorns, die des Psychiaters Wilhelm Weygandt in Hamburg, existiert offenbar nicht mehr. Sie muss sehr groß gewesen sein, niemand weiß, was mit ihr passiert ist. Einige haben schon danach gesucht wie nach dem Bernsteinzimmer. Ich glaube nicht, dass diese Sammlung jemals wieder auftaucht. Auch diese Verluste machen die Sammlung Prinzhorn so einzigartig. Es gibt heute eben nichts Vergleichbares.

Mass Madness

Sie haben vorhin in der Pressekonferenz gesagt, dass Sie mit der Ausstellung „Surrealismus und Wahnsinn“ einen neuen Besucherrekord erzielt haben. 5.200 Leute haben sich die Ausstellung angesehen. So viele Leute waren vergleichsweise an einem Tag im Städel in der Botticelli-Ausstellung. Ist es nicht verwunderlich, dass weniger Leute das Angebot nutzen, das eine einmalige Sammlung wie die Prinzhorns in Heidelberg bietet? Wie erklären Sie dieses Phänomen?

Mass Madness für Blockbuster-Themen. Botticelli ist eingeführt, leicht wiederzuerkennen, wirkt gesund. Jemand sagte, „hübsche Mädchen ziehen immer“. Und dann spielt sicherlich auch die Italiensehnsucht eine Rolle.

Wir sind demgegenüber eine Spezialsammlung mit ganz anderer Ausrichtung. Es gibt außerdem nach wie vor Menschen, die Scheu haben, sich mit dem Thema Psychiatrie überhaupt zu befassen. Immer noch betreten manche Besucher das Museum – und verlassen es gleich darauf wieder, weil sie feststellen, dass das nichts für sie ist oder weil sie Angst haben vor dem Thema. Vielleicht weil sie selbst oder Verwandte betroffen sind.

Möchten Sie abschließend unseren Leser noch etwas mit auf den Weg geben?

Kommen! Sich faszinieren lassen von den Werken! Über Themen aus unserer Sammlung arbeiten! Wir haben Stoff hier für viele Magisterarbeiten und Dissertationen.

Weitere Informationen über die Sammlung Prinzhorn findet Ihr auf der Homepage der Institution.
Eine Rezension der aktuellen Ausstellungen „Heidelberger Skizzen - Valentin Hauri und die Sammlung Prinzhorn“ und „Bilder einer Zwangssterilisierung - Wilhelm Werner (1898-1940) findet Ihr hier.

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