Kunsthistoriker im Gespräch
Schreibe einen Kommentar

Immer im Schreibprozess

Stephanie Marchal, M.A. (1980): Studium der Kunstgeschichte und Romanistik an den Universitäten Heidelberg, Siena und Neapel, Magister 2005 (Magisterarbeit:Der stürzende Ikarus in der Skulptur von Rodin bis Heute“, erschienen April 2008). Von 2005-2006 wissenschaftliches Volontariat an der Schirn Kunsthalle in Frankfurt. 2008 erhielt sie den Deubner-Preis für aktuelle kunsthistorische Forschung für ihre im Entstehen begriffene Dissertation zu den Selbstbildnissen Gustave Courbets an der Universität Heidelberg; gefördert wird diese durch die Landesgraduiertenförderung. Forschungsschwerpunkte: Malerei, Fotografie und Skulptur des 19. und 20. Jahrhunderts.

Nach welchen Kriterien haben Sie Ihren Doktorvater ausgewählt?

Wichtig bei der Wahl des Doktorvaters ist, denke ich, dass man mit demjenigen, mit dem man über Jahre zusammen arbeitet, allem voran fachlich zurechtkommt beziehungsweise mit der entsprechenden Betreuungsperson konstruktiv kritisch diskutieren kann. Ferner sollte die Unterstützung und Förderung des Doktoranden gewährleistet beziehungsweise im Vorfeld hinsichtlich der beiderseitigen Erwartungshaltung vereinbart sein.

Wie hat sich die Themenfindung bei Ihnen gestaltet?

Mir hat letztlich mein Doktorvater das Thema vorgeschlagen. Ich habe natürlich auch selber Vorschläge eingebracht und wir haben diskutiert, was zeitlich und von meinen Interessen her machbar wäre. Der Betreuer kann aufgrund seiner Erfahrungen sicherlich besser einschätzen,  ob das gewählte Thema in zwei bis vier Jahren bearbeitet werden kann oder nicht.

Ihr Thema lautete „Courbet in seinen Selbstbildnissen“. Welche Hürden galt es zu nehmen?

Einzelanalysen sowie die Erfassung des Selbstbildnis-corpus machen den Hauptteil der Arbeit aus. Ich gehe zudem auf die fotografische Selbstinszenierung ein, auf Courbets Imagerealisation im Wechselspiel von Selbstprojektionen und öffentlich-medialer Reaktion und auf Courbets Realismusverständnis beziehungsweise inwiefern Courbets Selbstbildnismalerei darin zu verorten ist.
Zu den Hürden: Die Literatur- und Quellenlage ist einfach überbordend bei Courbet. Auch die Bildfindung ist nicht einfach, da viele Arbeiten, insbesondere Repliken, in der ganzen Welt verstreut sind und zum Teil erst nach und nach auftauchen. Courbets Œuvre wurde zerschlagen, nachdem er in die Schweiz hatte flüchten müssen.

<p>Gustave Courbet: "Le Désespéré</p>

Wie haben Sie Ihre Promotion finanziert?

Ich habe alles einmal durchgemacht. Ich habe ganztags als Ausstellungsassistenz in der Schirn Kunsthalle Frankfurt gearbeitet, da war es sehr schwierig, mit der Dissertation voran zu kommen. Dann habe ich halbtags in der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg gearbeitet, das war vom Zeitmanagement auch nicht leicht, da man den Kopf nie ganz frei hatte – Voraussetzung für konzentriertes, kreatives inhaltliches Arbeiten. Nun habe ich ein Stipendium der Landesgraduiertenförderung. Kleiner Tipp für die Heidelberger Studierenden unter Euren Lesern: Es gibt eine Graduiertenakademie in Heidelberg, die Doktoranden darüber informiert, welche Stipendienmöglichkeiten bestehen.

Wie haben Sie Ihr Volontariat in der Schirn Kunsthalle in Frankfurt und die Arbeit an Ihrer Dissertation verbunden?

Mit dem Volontariat ist es, wie gesagt, schwierig, denn man steht ganz unten in der Hierarchie und arbeitet im Schnitt gut 60 Stunden die Woche. Meistens auch am Wochenende bei einem Gehalt von knapp 800 Euro. Ich habe im Zug von Heidelberg nach Frankfurt an der Dissertation gearbeitet, morgens, abends und nachts, wann immer ich Zeit hatte. Die Qualität der Arbeit hat unter diesen Voraussetzungen jedoch gelitten. Da ist heute viel zu überarbeiten. Auch das soziale Leben musste zurückstecken.

Welcher Erfahrungen konnten Sie während Ihres Volontariats sammeln?

Man bekommt einen guten Einblick in die verschiedenen Tätigkeitsbereiche eines Museums. Die Schirn selbst ist eine Kunsthalle, das heißt sie hat keine eigene Sammlung, weswegen ich in diesem Bereich nur bedingt, durch teilweise Kooperation mit dem Städel, Erfahrungen sammeln konnte. Von der Pike auf habe ich als Assistentin verschiedener Projekte gelernt, wie man eine  Ausstellung konzipiert und wie die Katalogarbeit, zum Beispiel das Einholen von Bildrechten, abläuft; spannend war der Kontakt zu Künstlern, Sammlern und Wissenschaftlern aus der ganzen Welt. Man lernt auch das ganz Alltägliche, wie die museumsinterne und -externe Kommunikation funktioniert.

Haben Sie an einem Promotionskolleg teilgenommen?

Ich habe an keinem Promotionskolleg teilgenommen. Der Vorteil ist sicher, dass die Doktoranden in einer Gruppe promovieren und so Gelegenheit zu Rücksprache und Austausch haben. Vorteile sind auch ein eigenes Arbeitszimmer in der Nähe des Instituts und natürlich eine gesicherte Finanzierung. Denn die Teilnahme an einem Promotionskolleg bedeutet, so weit ich weiß, dass man ein Stipendium bekommt. Aber als Koordinatorin des Interdisziplinären Doktorandinnenkolloquiums (IDK) habe ich das große Glück, ein ganz gutes Netzwerk und eine äußerst arbeitswillige, aufgeschlossene Arbeitsgruppe gefunden zu haben, die einen durch alle Phasen der Dissertation inhaltlich, methodisch und organisatorisch-menschlich begleitet.

Wie gestaltete sich der Schreibprozess, gab es Schreibphasen?

Ich denke, das handhabt jeder anders. Man lernt ja in einem ersten Schritt durch die Magisterarbeit und dann durch die Dissertation, wie man selbst vielleicht am besten arbeitet. Viele Leute sammeln beispielsweise zuerst ihr gesamtes Material und schreiben die Arbeit dann in einem Stück. Ich habe mich dagegen entschieden, da ich während des Schreibprozesses denke. Aus diesem Grund  habe ich immer geschrieben. Ungefähr nach einem halben Jahr Einarbeitung habe ich mit dem Schreiben begonnen und dann die Texte kontinuierlich überarbeitet und Neues eingefügt. Deshalb bin ich eigentlich immer im Schreibprozess gewesen.

Natürlich gibt es auch Pausen, in denen man keine Ideen und keine Inspiration hat, in denen die Bilder einem nichts mehr sagen - das ist schwer auszuhalten. Da man meines Erachtens aber erst beim Schreiben merkt, wo Verbindungen fehlen und Gedanken noch nicht zu Ende gedacht sind, kann ich nur empfehlen, früh damit zu beginnen. Aber natürlich ist das jeweilige Projekt in seiner Fülle und Quellenlage individuell zu berücksichtigen, ein Patent-Rezept gibt es sicherlich nicht.

Man sollte sich vorab, so meine Erfahrung, eine Struktur überlegen. Auch für die Bewerbung um ein Stipendium o.ä. werden ja ein Struktur- und ein Zeitplan benötigt. Was mir sehr geholfen hat, - obwohl ich Ratgeber eigentlich nicht besonders mag -, ist das Buch von Knigge-Illner „Der Weg zum Doktortitel. Strategien für die erfolgreiche Promotion“. Der Ratgeber geht ganz realistisch auf die Zeitplanung einer Dissertation ein. Es ist selten, dass ein Promotionsratgeber die Schritte zur Dissertation so realistisch durchdenkt und –plant.

Können Sie angehenden Promovierenden Tipps geben, wie man schwierige Situationen meistert?

Anfangs war ich panisch an Tagen, an denen mir nichts einfiel und ich nicht schreiben konnte. Ich denke aber nun, dass gerade solche Tage wichtig sind. Dann sollte der Rechner ausgeschaltet bleiben und etwas anderes gemacht werden, irgendwie setzt sich dann dennoch etwas. Das ist ein normaler Prozess. Stattdessen ist es wichtig herauszufinden, wann man seine Kreativphase am Tag hat. Meiner Erfahrung nach ist es gut, sich an diese individuell sehr verschiedenen „Hochleistungs-Phasen“ zu halten und dabei eine gewisse Regelmäßigkeit einzuhalten. Diese Zeit sollte konsequent freigehalten werden, es ist hilfreich, sie sich als Arbeit wie in einem Büro vorzustellen, - auch wenn Telefon, Kaffeetrinken oder der Kühlschrank locken.

Außerdem ist die Zeit der Dissertation auch eine Zeit des Experimentierens. Man kann sich noch auf verschiedenen Feldern versuchen, bevor man sich danach auf einen Weg festzulegen hat. Durch die Dissertation „durchzuhecheln“, ist doch schade. Wann hat man noch einmal die Möglichkeit, so frei zu arbeiten und in alle Richtungen zu denken?

Wie hoch ist der zusätzliche Zeitaufwand, wenn man viele Exposés schreiben muss?

Das Problem bei einem Exposé ist, dass man es zu Projektbeginn verfassen muss. Gerade bei einem Thema wie Courbet, das so gut erforscht ist, kann man das eigentlich gar nicht. Das Exposé habe ich später immer wieder umgearbeitet. Jetzt, nach Jahren, geht es schneller. Aber man muss bestimmt mindestens ein halbes Jahr einplanen, bis ein brauchbares Exposé steht - auch das wird man jedoch weiterhin modifizieren oder stellenweise verwerfen.

Sie haben mit ihrer Magisterarbeit bereits erste Publikationserfahrung sammeln können. Können Sie etwas zum Thema Bildrechte sagen?

Tipp: Rücksprache halten mit der VG-Bild. Die Bildrechte sind das, was organisatorisch viel Zeit in Anspruch nimmt, wenn man eine Publikation plant. Bei mir waren es teilweise Bilder lebender Künstler, die ich schon im Zuge meiner Magisterarbeit getroffen hatte; bei denen habe ich dann angefragt, ob ich das Material, das ich bei meinen Besuchen geschossen hatte, für die Publikation verwenden dürfe und das war kein Problem. Private Sammler sind da schon schwieriger. Größere Museen eigentlich nicht, da gibt es oft spezielle Abteilungen. Französische Provinzmuseen sind zum Teil abenteuerlich, so meine Erfahrung.

In welcher Form möchten Sie Ihre Dissertation publizieren?

Soweit kann ich jetzt noch nicht denken…

Sie haben den Deubner-Preis für aktuelle kunsthistorische Forschung verliehen bekommen.

Ja. Ich kann jedem empfehlen, dass man da einfach mal was hinschickt; der Preis wird alle zwei Jahre ausgeschrieben und man muss ja nichts weiter tun, als einen Aufsatz einzureichen. Ich denke, da kann man nichts falsch machen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *