Interview, Kunsthistoriker im Gespräch
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Elfenbeinturm und Praxis. Was Kunsthistoriker verlernen müssen

Das Weiterbildende Studium „Kunstkritik & Kuratorisches Wissen“ bietet einen engen Bezug zur Praxis. Spricht es gegen die inhaltliche Ausrichtung des Studiums der Kunstgeschichte, dass solch ein Weiterbildendes Studium eingerichtet werden musste?

Überhaupt nicht. Ich halte es für fatal, zu denken, dass das Studium praxisorientiert sein muss; ein Studium muss auf Wissenschaft fokussiert sein. Während des Studiums der Kunstgeschichte lernen Studenten auf intelligente und pointierte Weise über Kunst zu reden. Da die Praxis im Bereich Kunstgeschichte zudem so vielfältig ist, kann das Studium den Einstieg nicht gewährleisten. Es wäre nicht gut, zu viele Praxisanteile in das grundständige Studium zu integrieren, da Studierende erst lernen müssen, was Kunstgeschichte ist. In zehn Semestern schafft man es gerade einmal, die wichtigsten Grundlagen zu legen, mehr geht nicht.

Inwiefern unterscheidet sich das Weiterbildende Studium von einem Masterprogramm wie etwa „Curatorial Studies“ in Frankfurt?

Wir haben uns bewusst dazu entschieden, kein Masterprogramm, sondern ein weiterbildendes Studium anzubieten, damit die grundständige wissenschaftliche Ausbildung gewährleistet ist. Bei uns kommt verstärkt der Aspekt des Schreibens hinzu, das man in allen Berufsfelder der Kunstgeschichte braucht. Zudem profitieren wir von der reichen Museumslandschaft in NRW, wir koopieren mit 15 Häusern.

Raten Sie Studierenden dazu, erst einen Master in Kunstgeschichte zu machen und dann das Weiterbildende Studium „Kunstkritik & Kuratorisches Wissen“ anzugehen oder ist es ebenso sinnvoll, gleich einen praxisbezogenen Masterstudiengang zu wählen? Wo sehen Sie Vor- und Nachteile?

Das hängt von den Berufswünschen der jeweiligen Person ab. In vielen Feldern kann es sinnvoll sein, wenn man gleich in die Praxis geht. Wenn man in ein Museum möchte und eine Position in einem größeren Haus anstrebt, bietet es sich an, zuerst einen Master in Kunstgeschichte zu machen. Wenn jemand allerdings nicht viel Freude am wissenschaftlichen Arbeiten hat, ist es ratsam, die Praxis gleich mit zu studieren.

Das Programm

Was müssen ausgebildete Kunsthistoriker noch lernen, um außerhalb des akademischen Betriebs bestehen zu können?

Wir versuchen im Studiengang Grundkenntnisse über die Arbeit im kuratorischen Bereich zu vermitteln. Es gibt wöchentliche Arbeitstreffen mit der Programmleiterin Dorothee Böhm in den beteiligten Museen, wo es darum geht, die kuratorischen Konzepte zu verstehen. Erschließt sich das Konzept aus der Präsentation? Daran schließen sich Arbeitstreffen mit Personen aus unterschiedlichen Sparten des Hauses an, so dass die Teilnehmer einen guten Einblick in den Facettenreichtum der Arbeit im Museum bekommen.

Ein wichtiger Teil während der Semesterferien ist ein internship in einem Museum. Dort entwickeln die Teilnehmer/innen ein Projekt, das auf Realisierbarkeit hin ausgerichtet ist. Einige Projekte werden umgesetzt, aber natürlich nicht alle. Im zweiten Semester wird das Projekt dann ausgearbeitet. Dazu gibt es begleitende Workshops, etwa mit dem Büro Kuehn Malvezzi über Ausstellungsarchitektur. Am Ende des Studiums werden die Projekte einer Jury präsentiert, die sich aus den Mitarbeitern der Häuser zusammensetzt, die die Projekte begleitet haben. Die Teilnehmer/innen üben also, das Projekt einer Jury zu präsentieren, was ja auch Teil des Berufslebens ist. Das sind alles Dinge, die man nicht in einem regulären Studium vermitteln kann.

Begleitend gibt es Schreibwerkstätten mit Kritikern und Redakteuren von Kunstzeitschriften und Tageszeitungen, in denen Schreibtechniken geübt werden. Das Ziel ist nicht, die Studierenden zu Kunstkritikern zu machen. Sie sollen lernen, Projekte in eine anschauliche und verständliche Form zu gießen, was bei Seminararbeiten nicht immer der Fall ist.

Müssen Studierende der Kunstgeschichte erst einmal das akademische Schreiben verlernen, um Kunstkritiken verfassen zu können?

Ich fürchte, dass das in den meisten Fällen zutrifft. In meinen Seminaren erwarte ich immer, dass die Hausarbeiten klar und anschaulich geschrieben sind. Trotzdem stellt eine wissenschaftliche Arbeit eine andere Herausforderung an den Schreibenden als ein Text, der komplexe Inhalte anschaulich vermitteln soll. An der Universität wird das nicht ausreichend vermittelt, was ich für ein großes Manko halte. Die Workshops werden von den Teilnehmern als sehr positiv wahrgenommen, da man beispielsweise lernt, ein Exposé zu schreiben. Es geht nicht so sehr um das kunstkritische Schreiben. Die Teilnehmer lernen, ihre Kategorien zu schärfen, denn das brauchen sie auch, wenn sie kuratorisch arbeiten.

Dem könnte man nur Abhilfe schaffen, wenn man auch an Universitäten Schreibwerkstätten einrichtet.

Wenn Geld da ist! Der erste Schritt ist die Einrichtung von Schreibwerkstätten für Seminararbeiten. Wissenschaftliches Schreiben muss auch erst einmal gelernt werden, das ist die Basis jeder universitären Ausbildung. Wissenschaftliches Schreiben zu lernen, das ist schon schwierig. Texte für ein größeres Publikum zu schreiben, wäre der nächste Schritt. Es wäre wünschenswert, solche Kurse anzubieten, da haben Sie Recht.

Der Abschluss

Ist der Abschluss des Weiterbildenden Studiums mit einem Titel verbunden, etwa dem des Diplom-Kurators oder des Diplom-Kunstkritikers?

Nein! Die Teilnehmer erhalten ein Zertifikat, in dem alle Seminare, Workshops und Veranstaltungen und die indivduellen Leistungen genau aufgelistet sind, so dass bei Bewerbungen klar ersichtlich ist, was sie alles gemacht haben. Das Projekt und das Museum werden genannt und die Texte, die geschrieben wurden. Das ergibt ein schönes Portfolio, dem man auch entnehmen kann, welche Arbeitsgespräche sie geführt haben oder welches Podium sie moderiert haben.

Das Zertifikat ist unbenotet?

Ja. Sie haben dann „absolviert“ oder „mit Erfolg absolviert“, darüber entscheidet die Jury.

Ersetzt das Weiterbildende Studium ein Volontariat im Museum oder bei einer Zeitung?

Das kann ich nicht entscheiden. Alle Teilnehmer des ersten Jahrgangs haben eine Stelle bekommen, eine hat sogar eine unbefristete Stelle. Generell kann man nicht sagen, dass das Weiterbildende Studium ein Volontariat ersetzt. Wenn man eine Tätigkeit im Bereich der Gegenwartskunst in einer kleineren Institution wie einem Kunstverein anstrebt, ist ein Volontariat nicht mehr unbedingt nötig. Man sollte am besten versuchen, im Anschluss eine Mitarbeiterstelle in einem Projekt zu bekommen.

Welche Erfahrungen haben die bisherigen Absolventen mit ihrem Abschluss gemacht?

Bisher sind alle in den kuratorischen Bereich gegangen. Ein Schreibgenie haben wir noch nicht entdeckt. Meist findet sich eine Stelle über die Kontakte, die die Teilnehmer während des Studiums knüpfen. Die Teilnehmerzahl ist mit 12 überschaubar. Wir helfen ja auch, so gut wir können, und das auch noch nach dem Abschluss. Die Teilnehmer haben die Möglichkeit, Texte zu schicken oder an uns mit der Bitte heranzutreten, einen Kontakt zu vermitteln. Eine Absolventin aus dem ersten Jahrgang leitet den Kunstverein Dortmund und hat aus dem jetzigen Jahrgang eine Teilnehmerin Studenten, die in ihre Arbeit integriert. Es hat sich von selbst eine schöne Alumni-Politik ergeben.

Ausführliche Informationen zum Weiterbildenden Studium „Kunstkritik & Kuratorisches Wissen“ finden sich hier. Bewerbungsschluss für den nächsten Jahrgang ist der 15. Juli 2012.

 

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