Kritik
Kommentare 1

Gartenzwergidyll mit Goethe. Ottmar Hörl in Frankfurt

31900004cropped

Seit einigen Tagen sind Studierende der Goethe-Universität von einer beachtlichen Menge an Standbildern verwirrt. Die Objekte tragen die Züge von Johann Wolfgang Goethe, mit leicht verkindlichten Proportionen. Eine zweisprachige Broschüre informiert darüber, dass die Plastiken 107 cm hoch sind, die Farben Purpurrot, Enzianblau, Honiggelb und Türkisgrün haben, und aus Kunststoff gefertigt sind. Das Berühren der Plastiken ist verboten, worüber ein Wachmann vor dem Haupteingang der Universität mit strengen Blick wacht. Ein Handzettel gibt folgende Auskunft:

Seit vielen Jahren überrascht Ottmar Hörl, international berühmter Konzeptkünstler, die Welt mit verblüffenden plastischen Konzepten, basierend auf der Maxime „Skulptur als Organisationsprinzip“. Seine Vision: Möglichst viele Menschen in einen kulturellen Diskurs miteinzubeziehen. Mit einer temporären Kunst-Installation aus 400 seriellen Goethe-Figuren verwandelt er die Grünfläche auf dem Campus Westend vor dem Haupteingang des IG Farben-Hauses in eine Identität stiftende, bildstarke, kommunikative Großskulptur. Damit wird ein Impuls zur zeitgemäßen Auseinandersetzung mit dem 1749 in Frankfurt geborenen Universalgelehrten gesetzt.

 

Die Universität ist stolz auf ihren Namensgeber: Johann Wolfgang von Goethe.

Eine Google-Suche nach dem Konzeptkünstler führt schnell zu seinem Onlineshop, wo man die Goetheskulpturen auch für den eigenen Vorgarten erwerben kann. Mit wenig Überraschung ist dort festzustellen, dass der Künstler nicht nur Goethe in Plastik hat gießen lassen. Dort findet man auch Martin Luther, Richard Wagner, den gestiefelten Kater und einen weiteren deutschen Klassiker: den Gartenzwerg. Letzteren in den Farben schwarz, rot und gelb, oder in lila, mit hochgerecktem Mittelfinger. Besonders gewagt und offenbar politisch gemeint ist der Gartenzwerg mit gehobenem rechten Arm. Das bekannteste Werk Hörls dürfte aber das monumentale Euro-Zeichen vor dem alten Gebäude der Europäischen Zentralbank sein.

Vor diesem Hintergrund ist man doch recht dankbar, dass der Künstler den Frankfurter Universalgelehrten Goethe im Hobbitformat als Organisationsprinzip gewählt hat. Das stromlinienförmig gemachte Antlitz des Frankfurter Universalgelehrten sehen die Studierenden zwar ohnehin jeden Tag, schließlich ist es Teil der corporate identity der Universität. Trotzdem kann man es ja mal 400-fach potenziert und „bildstark“, was hier vielleicht dreidimensional, bunt und aufdringlich heißt, in den IG-Farben-Vorgarten stellen.

Außerdem hat der Künstler ein Ideal der Partizipation aller am kulturellen Diskurs, denn die Plastiken sind kommunikativ. Der öffentliche Raum soll mit dem privaten kommunizieren, und für 350 Euro kann man sich als Privatperson einen der Gartenzwerge (unsigniert; mit Signatur des Künstlers kostet ein Exemplar 150 Euro mehr) in den eigenen Vorgarten, das Wohnzimmer oder sonstwohin stellen. Also kann sich die Privatperson gleich doppelt an der Vision des Künstlers freuen. Über eine bunte Großskulptur, die man begehen, aber nicht berühren darf, und über die Möglichkeit, ein Stück davon mit nach Hause zu nehmen.

Dass es sich hierbei vor allem um teure Dekorationsobjekte handelt, ist nicht zu übersehen. Wie beliebig und banal das ist, scheint dem Kurator bewusst zu sein, wenn er schreibt: „Für uns heute in Frankfurt ist Johann Wolfgang von Goethe im Alltag der Stadt nach wie vor sehr präsent. So gibt es einen nach ihm benannte noble Einkaufsstraße und einen zentralen Platz in der Innenstadt, das Goethe Hotel, das Goethe Hotel, das Goethe-Gymnasium, das Goethe-Institut  […]“ etc. Wir freuen uns jedenfalls auf 400 Äpplergläser aus Plastik oder 400 mal Handkäs in vier verschiedenen Farben zum nächsten runden Universitätsjubiläum. Vielleicht lässt sich dafür ja Jeff Koons gewinnen.

Die „Goethe-Installation“ von Ottmar Hörl ist noch bis zum 20. Juli 2014 vor dem IG-Farben-Gebäude in Frankfurt zu sehen.

 

 

1 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *