Interview
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Geflasht sein ist okay. Manuel Roßner im Gespräch über die Virtual Reality-Ausstellung „Unreal“ im NRW-Forum Düsseldorf

Virtuelle Realität, wird oft behauptet, ist der Rückzug ins Allerprivateste, nämlich die subjektive Wahrnehmung. Das stimmt natürlich nicht so ganz. Besonders nicht, wenn VR-Kunst im Museum gezeigt wird. Wer sich dort verliert, muss sich nicht schämen. Wer gegen Wände läuft, auch nicht. Das NRW-Forum in Düsseldorf zeigte eine Schau mit Kunstwerken, die nur mit der VR-Brille zu sehen sind. Wir sprachen mit dem Ausstellungsarchitekt, Künstler und Co-Kurator Manuel Roßner  über den Unterschied zwischen Computerspielen und Kunst und darüber, was mit Museen und Museumsbesuchern passiert, wenn Kunst in der virtuellen Realität gezeigt wird.

Manuel, wie kam es zu dieser Ausstellung in Düsseldorf?
Ich betreibe seit 2012 die Float Gallery, ein Online-Projekt. Das habe ich in Düsseldorf mal vorgestellt, und etwa ein halbes Jahr danach hat mich Alain Bieber vom NRW-Forum angeschrieben und mich wissen lassen, dass er genau so etwas braucht.

Hast Du die Künstler für den virtuellen Anbau ausgewählt?
Alain und ich haben das zusammen gemacht. Ich habe welche vorgeschlagen, er hat welche vorgeschlagen. Es ist ja auch die erste Ausstellung in diese Richtung. Wir mussten schauen, dass alles technisch ein wenig zusammenpasst. Die Arbeit von Tabita Rezaire habe ich nach den Anweisungen der Künstlerin umgesetzt.

Der virtueller Anbau im NRW-Forum Düsseldorf von Manuel Roßner (© Manuel Roßner)

Habt ihr für die Arbeiten irgendwelche Vorgaben gemacht?
Die Anfangsidee war der White Cube, für den die Künstler Arbeiten produzieren. Aber das hat irgendwie keinen interessiert. Eigentlich wollten alle ihre eigenen Welten bauen. Das ist natürlich cool — vielleicht sogar cooler.

Passiert es oft, dass du Arbeiten umsetzt oder machen die Künstler das meistens selbst?
Die drei anderen Künstler haben das selbst gemacht. Sonst habe ich da nicht viel Erfahrung.

Ich habe gehört,  dass Du gerade wegen Deiner Float Gallery richtig viel Erfahrung hast.
Float Gallery ging in eine ähnliche Richtung. Da habe ich aber nur die Räume gemacht, und die Künstler haben ihre Arbeiten geschickt.

Du hast an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach studiert. Hast Du Dir das Programmieren während Deines Studiums selbst beigebracht?
Die VR-Brillen, die ich benutze, gibt es erst seit etwa einem Jahr. Für Float habe ich vorher flache Bilder am Computer generiert. Der Übergang zur Virtual Reality ging dann ganz einfach.

Aber man muss programmieren können.
Genau. Das habe ich mir während des Studiums beigebracht.

Giulia Bowinkel & Friedemann Banz: VR 01

Computerspiele haben wir sicher alle irgendwann einmal gespielt, Autorennen und so. Wie unterscheidet sich Virtual Reality in einer Ausstellung wie in Düsseldorf von einem Computerspiel?
Für mich unterscheidet sich Virtual Reality durch die Art der Produktion und durch das Ziel. Die Kunstwelt ist viel offener, was das Format angeht. Natürlich ist es attraktiv die Effekte, die die Software hergibt zu nutzen. Schließlich kommt die aus dem Game-Bereich.

Float gibt es jetzt auch als VR-Version bei Steam, dort kommentieren die Gamer, dass ihnen das alles zu Oldschool aussehe. Es ist interessant, dass sich diese zwei Welten durch die Technologie verbinden. Da gibt es jetzt Wechselspiele.

Gerade wenn es um Technik geht, hängt die Kunstwelt ja generell ein wenig hinterher. Woran liegt denn diese Verschiebung?
In der Kunstwelt kann man konzeptionell mehr machen. Wenn die Sachen nicht nur über Action funktionieren, sondern auf einem ganz reduzierten Skript basieren, das eine Form generiert. Das funktioniert nicht so gut in der Gaming-Welt. Die Kunstwelt funktioniert über Institutionen: Ausstellungen, Museen und Sammler. Da ist es schwieriger solche Produktionsbudgets wie bei Spielen zusammenzubekommen. Games sind ja mittlerweile teurer als Hollywoodfilme.

Wie beurteilt man eigentlich die Qualität von VR-Kunst?
Im Moment ist die Brille noch ziemlich neu. Man kann sich viele Sachen ansehen und ist total geflasht, zumindest ging es mir so. Das wird sich natürlich weiterentwickeln. Ich frage mich auch ständig: Was ist denn eigentlich ein Kunstwerk? Man kann die Reproduktion eines Gemäldes in einem animierten White Cube zeigen. Aber vom künstlerischen Standpunkt ist das ja langweilig. Auf der anderen Seite kann man das krasseste Game machen — was aber vielleicht auch nicht so interessant ist. Die Grenze, an der die Realität aufbricht ist das Spannendste. Wie man mit diesem Medium umgeht – das ist aber noch total offen.

Lost in VR oder When people match artworks. Besucher in der Ausstellung „Unreal“ im NRW-Forum Düsseldorf (Fotos: Anika Meier / @gert_pauly)

In der Ausstellung habe ich Leute beobachtet, die versuchen, virtuelle Dinge anzufassen oder selbstbewusst gegen eine Wand laufen. Während man auf eine freie VR-Brille wartet und die Menschen beobachtet, wird der Ausstellungsbesuch zu einem sozialen Ereignis.
Ja, man ist den Blicken völlig ausgeliefert, wenn man die Brille aufhat. Vor der Eröffnung habe ich mich gefragt, ob das überhaupt geht: vier Leute in einen Raum zu stellen und sie ihrem Schamgefühl zu überlassen. Wäre da nicht die Neugier auf die virtuelle Realität, würde man vielleicht anders reagieren.

„Läuft man selbst durch die Welten beispielsweise des Japaners Akihiko Taniguchi und der Düsseldorfer Künstler Giulia Bowinkel und Friedemann Banz, fühlt man sich plötzlich wie ein sehr hilfloser Super Mario, der vom Weg abgekommen ist und nicht weiß, was verdammt nochmal seine Aufgabe in dieser virtuellen Welt ist. Also schaut man sich um und bewegt sich viel viel langsamer voran als Super Mario. Mal fallen einem so etwas wie Zahnpastakartons auf den Kopf, ohne das weiter etwas passiert, mal rennen einen schwarze Gestalten um – das denkt man zumindest, aber es passiert ja einfach nichts weiter – die permanent vor einer Mauer auf- und abrennen, in der Ferne fällt eine Skulptur in sich zusammen, nur um im nächsten Moment wieder ganz zu sein. Oder man steht plötzlich auf einem hohen Berg und weiß nicht so recht, wie man dorthin gekommen ist. Schnell weg da, schon fallen einem wieder Zahnpastakartons auf den Kopf. Nicht wirklich. Glaubt man aber. Nimmt man die Brille ab, hat man schwitzige Hände, auch wenn man sonst nie schwitzige Hände hat.“ – Anika online beim Monopol Magazin über „Unreal – eine Virtual Reality-Ausstellung“

Was passiert denn mit den Museen, wenn jeder eine VR-Brille zu Hause hat und man gar nicht mehr ins Museum gehen muss, um sich eine Ausstellung wie „Unreal“ anzuschauen?
Meine eigenen Arbeiten sind oft ortsbezogen. Die Düsseldorf-Schau funktioniert natürlich am besten, wenn man vor Ort im NRW-Forum ist. Natürlich kann man sich Ausstellungen und Kunstwerke komplett online anschauen. Aber die Konservierung und Kontextualisierung passiert ja nicht von alleine. Dafür braucht es noch immer Museen.

Vielen Dank für das Gespräch, Manuel!

Akihiko Taniguchi ist mit seiner Arbeit einer der ausstellenden Künstler in „Unreal“.


„Unreal – eine Virtual Reality-Ausstellung“
ist bis 30. Juli im NRW-Forum Düsseldorf zu sehen.
Titelbild: Giulia Bowinkel & Friedemann Banz: VR 01

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