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Aufgelesen 2016.1: das Jahr, in dem Punk zerbrach, das Jahr, in dem sich Kitsch auf Abramovic reimt, das Jahr, in dem verstörende Pullis goldene Kühlschrankmagneten gewinnen

Unter dem Stichwort Aufgelesen versammeln wir Fundstücke aus dem Netz. Leseempfehlungen sowie Kurioses über Kunst und fern der Kunst findet hier seinen Platz.

2015 ist jetzt endgültig vorbei, aber eine Menge Dinge aus diesem Jahr wirken 2016 weiter. Zum Beispiel die Popularität von Stefanie Sargnagel. Mit ihr hat das „Müßiggang-Magazin“ ein Interview geführt, per Facebook, versteht sich. Wahrscheinlich ist es völlig daneben, zu behaupten, dass Sargnagel der Gegenentwurf zu Ronja von Rönne ist. Von Rönne spielt aber in einem Musikvideo der enghosigen Wiener Rocker Wanda mit. Während von Rönne Feminismus irgendwie eklig findet, findet Sargnagel die Band Wanda ein bisschen eklig, denn bei deren 2015er Album geht es darum, worum es im Rock so oft geht: „Das letzte verzweifelte Schwanz-Rausholen.“ Bei aller Liebe zum Wiener Schmäh und zu Bukowskihafter Attitüde:

Genau diese Ästhetik ist es, die auch viele Menschen abstößt. Wenn Marco beim Konzert Fickbewegungen in die Luft macht, muss ich trotz aller Gänsehaut, die ich noch kurz davor hatte, erschrocken das Youtube-Video schließen. Das ist zu viel für die moderne Emanze, etwas zu viel Männlichkeit auf einmal. Ich rieche förmlich den Hodenschweiß, der sich tief ins Gewebe der ranzigen Hose eingefressen hat und mit Bukowski’schen Bierschissresten korrespondiert.

Hier nochmal der Clip mit von Rönne:


Und wo wir gerade über Hoden reden: Kathrin Passig und Clemens J. Setz haben „Ein Gespräch über Schwänze“ geführt, das schon seit Oktober online nachgelesen werden kann. Die beiden sprechen über schöne Hinterköpfe, über den Glauben oder Unglauben an Buchempfehlungen, über die nicht gelöschte Kittler-Festplatte und über Sex, ganz viel. Was Setz nicht so alles im richtigen Leben wiederfährt:

Vor ca. zwei Jahren zum Beispiel hat mich eine Bekannte zu sich eingeladen, weil sie und ihre Freundin gerne jemanden haben wollten, der ihnen beim Liebesspiel zuschaut. Das mögen die beiden gern. Also wirklich nur zuschauen, nicht beteiligen. Und so was geschieht normalerweise, hab ich mir gedacht, nur in Romanen oder Filmen, aber da war’s auf einmal real. Und ich war natürlich sehr nervös, weil ich nicht wusste, wie das wird. Hinterher hat mir meine Bekannte erzählt, dass man mich hätte fotografieren sollen, wie ich da mutlos zusammengesackt in dem Sessel vor ihnen gehockt bin, wie vor einer Prüfung.

Zum Jahreswechsel fassen viele Leute gute Vorsätze. Sport, gesunde Ernährung und so weiter. Was aber ein wirklich guter Vorsatz wäre: Mehr Zeit im Bett verbringen. Das soll zumindest ein neuer Trend sein, weiß „Zeit Online.“ Klingt erstmal verlockend und ein bisschen rebellisch, allerdings geht es darum, im Bett zu arbeiten.

Künstler arbeiten auch sehr viel, allerdings eher selten vom Bett aus. Zumindest gilt das für Constant Dullaart, der mit DullTech sein eigenes Start-Up gegründet hat. Für das „Spike-Magazin“ war Dullaart bei einem Roundtable dabei. Worum es bei DullTech geht, erfährt man in einem sehr langsam erzähltenWerbefilm.


Mal eine andere Frage: Was ist eigentlich schön? Die Moderne hat Kunst von dem Diktat befreit, schön sein zu müssen, und seitdem steht vieles was schön ist, unter Kitschverdacht. Oder etwa doch nicht? Jedenfalls sind Bachs Goldberg-Variationen ohne jeden Zweifel schön (aber nicht kitschig) und Igor Levit ist ein ausgezeichneter Pianist. Marina Abramovic lässt Levit in der New Yorker Armory-Halle die Variationen spielen. „Die Welt“ reimt Abramovic und Kitsch, aber unterm Strich ist die Performance: schön.


Es wäre ebenfalls schön, wenn der Wu-Tang Clan sein Album-Unikat „Once Upon A Time In Shaolin“ von Pharma-Bösewicht Martin Shkreli zurückklauen würde. Noch besser wäre es, wenn Bill Murray dabei helfen würde. Das sähe so aus:


Wir freuen uns 2016 aber wirklich darüber, dass es mal wieder was von Joachim Bessing zu lesen gibt. Genauer gesagt täglich. Denn für waahr.de schreibt Bessing öffentlich sein Tagebuch des Jahres 2016, Titel: „2016-The Year Punk Broke.“

Bei Dazed blickt man in die Zukunft und stellt die nächste Generation Künstlerinnen vor. Zur Lage:

Women’s influence on the art world is ever increasing and unstoppable. With a plethora of young girls using instagram and social media as their own personal gallery space, the boundaries between white-walled, white male dominated ‘fine art’ and inclusive, diverse, female led work is shrinking.

Was uns so aufgefallen ist. Mädchen schauen gemeinsam dreamy in ihr Smartphone:

Happy bday to my sister angel @petrafcollins will forever be posing and loling with u 💖✨

A photo posted by Mayan Toledano (@thisismayan) on


Oder zeigen endlich Haare und sprechen sich gegen Body Shaming aus.

@brigittesydney being one with the goddesses ✨🙏✨ A photo posted by Frances Cannon (@frances_cannon) on


Ein Bild des Jahres
gibt es auch schon. (Schön groß bei Buzzfeed. Und mit ein paar mehr lustigen Tweets. Noch mehr Tweets hat der Guardian parat.) Das war in den letzten Tagen im Internet nicht zu übersehen und überhören. Der freie Fotograf Joel Goodman hat in den Straßen von Manchester in der Silvesternacht ein Foto gemacht. Leute liegen auf der Straße herum, gucken, gehen oder stehen. Das Foto: Wie ein Gemälde. Wie die Mona Lisa. Wie Picasso. Wie Caravaggio. Mit dem perfekten Goldenen Schnitt. Wie Michelangelo. Hach. 2016 so kann es weiter gehen.


Der Spiegel wies kürzlich übrigens auf ein Forschungsprojekt hin, das weiß „Wie Ihre Bilder unvergesslich werden“. Und kleine Geheimnisse großer Gemälde lüftet ARTE Creative in einer Video-Serie mit kleinen Memes zu großen Gemälden. Humorig, das steht zumindest in der Beschreibung der Serie.

2015 war aber auch total dufte. Deshalb hier noch einmal schnell das Beste aus dem letzten Jahr, denn die Medien haben sich viel Mühe mit Zusammenstellungen gegeben. Das New York Time Magazine hat die besten Fotobücher. Teju Cole mag übrigens „Selfish“ von Kim Kardashian. Er vergleicht sie mit Juergen Teller und Wolfgang Tillmans. Anika hat sie letztes Jahr im Monopol Magazin die kleine Prinzessin der Generation Duckface genannt. Die Huffington Post hat die erfolgreichsten Museen laut Geotags gelistet. The Cut hat Wörter gesammelt, die wir 2016 im Englischen nicht mehr hören wollen, darunter Man-Bun, Lit, Bae und Netflix and chill. Der New Yorker hat eine Liste der 10 Top Ten Serien. Der Spiegel hat nur fünf, aber immerhin. Darunter Rita, die irgendwie der Lehrer Dr. Specht auf Netflix ist. Und das Art Magazin vergibt den goldenen Kühlschrankmagneten für Werbefilmchen zu Ausstellungen. Das NRW-Forum in Düsseldorf gewinnt in der Kategorie „Verstörender Pulli“ mit seinem Trailer zu „Ego Update“.

2015 ist jetzt aber auch wirklich endgültig vorbei.

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