allerArt, Interview
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Postkartenidylle auf dem Seziertisch

Art van Demon ist ein studentischer Verein für Kunst und Kultur in Heidelberg. Gibt es zu wenig Kultur in Heidelberg?

Mit einigen Museen und dem Heidelberger Kunstverein gibt es ein vielfältiges kulturelles Angebot in Heidelberg, das zusätzlich durch viele kleine Galerien bereichert wird. Unsere Motivation ist, weder einen bestimmten Zustand zu monieren – es gäbe zu wenig Kultur  –, noch mit den bestehenden Institutionen in Konkurrenz zu treten. Es geht uns darum, neben dem Studium praktische Erfahrungen zu sammeln, die man so flexibel und eigenständig in keinem Praktikum vermittelt bekommt. Der Verein gibt uns die Freiheit, uns weiterzuentwickeln und gemeinsam  Ideen zu verwirklichen ohne Angst davor haben zu müssen, keine Fehler machen zu dürfen.

Uns hat einfach interessiert, was in Heidelberg noch möglich ist und wie man die Idee einer Ausstellung ohne Geld und einen bekannten Namen umsetzen kann. Dabei sind wir auf ein positives Echo gestoßen, gerade seitens der jungen Künstler.

Wie erklärt sich Euer Name „Art van Demon“? Ist Kunst etwa dämonisch?

Der Name sollte möglichst viele Assoziationen wecken und dabei nicht nur an eine Sprache gebunden sein, sondern die Vielfalt künstlerischer Möglichkeiten widerspiegeln. Kunst kann, wenn man beispielsweise an innere Kräfte denkt, die nach Veränderung und Auseinandersetzung streben, durchaus dämonisch sein. Diese werden durch den Künstler oder auch durch den Betrachter evoziert.

Der Name des Vereins ist als spielerische Abgrenzung von etablierten Institutionen gedacht und sollte auch mit einem Augenzwinkern verstanden werden. Denn nicht der Name ist Programm, sondern das, was wir tun.

Am 25. Mai eröffnet ihr in einer Heidelberger Kultureinrichtung, dem Rathaus, Euer Ausstellungsprojekt „Heidelberg Surreal“. Ist die Präsentation junger Kunst im Rathaus einer altehrwürdigen Stadt nicht auch ein wenig surreal? Jung wäre beispielsweise der Heidelberger Kunstverein.

Kein Postkartenmotiv? „Pfad im Schnee“ von Joost Brokke, 2010.

Was eine Ausstellungsfläche jung macht, können wir nicht beurteilen. Wir haben natürlich nach alternativen Ausstellungsflächen gesucht und für unsere beiden Vernissageparties in der Halle_01 einen geeigneten Ort gefunden, wo wir unsere Vorstellungen und Ideen frei und ungezwungen verwirklichen konnten. Wir waren aber auch sehr froh, als wir die Zusage vom Rathaus erhalten haben, dort über einen längeren Zeitraum ausstellen zu dürfen. Allein durch die Funktion und den Standort mitten in der Altstadt werden schließlich viele unterschiedliche Menschen, die sich unter anderen Umständen wahrscheinlich nie die Ausstellung angesehen hätten, mit ihr konfrontiert. Außerdem haben wir mit Frau Reutner dort eine aufgeschlossene und hilfsbereite Ansprechpartnerin gefunden.

Darum geht es uns auch: In Zusammenarbeit mit möglichst verschiedenen Menschen und Institutionen unsere Projekte zu realisieren. Was wir bieten, ist Kunst, die von jungen Künstlern gemacht wird. Das bedeutet aber nicht, dass diese sich explizit an eine bestimmte Altersgruppe richtet. Ausstellungen im Heidelberger Kunstverein verhalten sich da nicht anders.

Ist Heidelberg denn eine surreale Stadt?

Eine surreale Stadt gibt es natürlich nicht. Aber neben der Realität existiert immer eine Traum- und Fantasiewelt, egal, wo man sich befindet. Wir denken, diese Welt in Heidelberg mit der Ausstellung entdecken zu können. Die Künstler sollten einen Ansatz finden, der sich mit Heidelberg beschäftigt, aber aus den Postkarten-, Poster- und Kalendermotiven ausbricht. Außerdem sollte das Ergebnis die Menschen in Heidelberg nicht nur ansprechen, sondern auch fordern, damit sie, wenn sie sich mit den ausgestellten Werken auseinandersetzen, etwas Neues im Alten und etwas Unbekanntes im Bekannten entdecken können.

Haben sich viele junge Künstler für die Ausstellung beworben?

Ja, wir waren überrascht. Es hat sich wohl nach und nach herumgesprochen, was wir vorhaben. Die erste Vernissageparty in der Halle_01 im vergangenen November hat zusätzlich viele Bewerber angelockt. Insgesamt hatten wir etwa dreimal so viele Bewerber wie letztlich Teilnehmer.

Eine Auswahl zu treffen war sicherlich schwer?

Bei den Fotografen, die jetzt mit dabei sind, waren wir uns meist schnell einig. Sie waren alle von Anfang an kooperativ, engagiert und nahmen Tipps und Anregungen unsererseits an. Gerade dieser kreative Entwicklungsprozess im Gespräch mit den Künstlern hat ungeheuer viel Spaß gemacht. Wir haben jedem Bewerber eine faire Chance gegeben und die Beiträge solange diskutiert, bis wir eine konsensfähige Entscheidung treffen konnten. Bei Absagen haben wir uns um eine konstruktive und persönliche Begründung bemüht.

Tipps und Anregungen? Haben die Künstler nicht eigene Arbeiten eingereicht?

Doch natürlich handelt es sich um ihre eigenen Arbeiten. Wir haben nie in ein Konzept eingegriffen. Einige Fotografen haben im Laufe der Zeit immer mal wieder einen Zwischenstand ihrer Arbeit gezeigt. Wir haben gemeinsam überlegt, inwiefern das Thema angegangen wurde und wie man ihre Bilder am besten präsentieren könnte. Dabei handelte es sich um das Verfassen der Wandtexte bis hin zu Kleinigkeiten wie der Organisation von Rahmen.

Welche drei Arbeiten sollten die Besucher sich auf keinen Fall entgehen lassen?

Die Besucher sollten sich auf keinen Fall auch nur eine Arbeit entgehen lassen. Uns begeistert jeder einzelne Beitrag. Wir empfehlen besonders die Arbeiten von Joost Brokke, Michael Diechtierow, Matthias Goliath, Alexander Helten, Stevie Kuner, Matthias Schwingel und Lena Staab.

Ein Konzept ist meist schnell erstellt, doch die Umsetzung in der Regel etwas ganz anderes. Gab es unerwartete Hürden bei der Organisation von „Heidelberg Surreal“?

Die Schönheitsbemalung wird zur schlafwandlerischen Zwangshandlung. Ohne Titel von Lena Staab, 2010.

Eine Hürde war sicherlich, dass uns das Unimuseum vergangenes Frühjahr mitgeteilt hat, dass wir doch nicht mehr dort ausstellen könnten, obwohl wir eine feste Zusage hatten. Außerdem war die Organisation manchmal schwierig, weil wir alle Vollzeitstudenten mit Nebenjobs und diversen Verpflichtungen sind. Die Erfahrung, als Team zusammenzuwachsen und sich auf andere verlassen zu können und sich zu vertrauen, wiegt all das wieder auf. Wenn man eine Hürde gemeinsam nehmen kann, wird sie automatisch viel kleiner.

Als studentische Initiative seid Ihr sicher stets auf der Suche nach Sponsoren. Wie sieht es mit der Finanzierung eines so aufwändigen Ausstellungsprojektes aus?

Nicht sehr gut. Wir versuchen unsere Ausgaben niedrig zu halten und kreativ hauszuhalten. Eine kleine Einnahmequelle waren die Vernissageparties, außerdem haben wir uns bei Förderern um Spenden bemüht. Einiges haben wir aus eigener Tasche finanziert, was sich natürlich ändern soll – wir betrachten es als Investition. Wir wollten bisher keine Mitgliedsbeiträge erheben, mittlerweile denken wir aber darüber nach. Das ist eben auch ein Fall von „try and error“.

Auf Eurer Homepage erfährt man, dass Ihr Künstlern auch eine dauerhafte Förderung anbietet. Wie funktioniert das?

Wir streben eine längerfristige Vernetzung möglichst vieler und vielfältiger Kontakte an, suchen Weiterbildungsangebote und beraten die Künstler. Das kann die Organisation von Equipment und natürlich Ausstellungsflächen oder auch PR-Arbeit und Vermittlung von Inhalten ihrer Arbeiten sein, also Weiterbildungsangebote für die Künstler und Interessierte.

Eine Künstleragentur?

Ja, so könnte man es auch ausdrücken.

Was dürfen wir in Zukunft von Art van Demon erwarten?

Wir denken momentan an eine Kooperation mit zwei Galerien in Berlin, um das Projekt „Heidelberg Surreal“ in der Hauptstadt fortzusetzen. Außerdem wollen wir uns in Zukunft weiteren Medien wie Film und Performance widmen und längerfristige, interaktive Projekte vorantreiben. Man darf gespannt sein.

artefakt wünscht alles Gute für die Zukunft.

Die Ausstellung „Heidelberg Surreal“ ist vom 25. Mai bis zum 10. Juni 2010 im Heidelberger Rathaus zu sehen. Die Vernissage findet am 26. Mai von 17 bis 18 Uhr statt. Weitere Informationen finden sich auf der Homepage.

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