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„Bücher nicht nur produzieren, sondern Forschung initiieren“

Dr. Andreas Barth, Geschäftsführer des Heidelberger Universitätsverlags Winter, gab jetzt im Rahmen des Interdisziplinären Doktorandinnen Kolloquiums der Graduiertenakademie der Universität Heidelberg Aufschluss über die Arbeit und Struktur eines wissenschaftlichen Verlags und erläuterte, wie eine Publikation entsteht.

Barth erklärte zunächst, dass es in jedem Verlag fünf Tätigkeitsbereiche gibt: Vertrieb, Herstellung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Lektorat und Lizenzabteilung. Im Bereich des Vertriebs wird zwischen aktivem Vertrieb und der Auslieferung unterschieden. Die Auslieferung wird freilich meist von externen Dienstleistern übernommen, so dass die Verlage die Bücher nicht selbst zum Kunden bringen müssen. An der Herstellung der Publikationen sind vor allem Angestellte aus dem technischen Bereich beteiligt. Die Presse- und Öffentlichkeitsabteilung besteht aus Mitarbeitern, die sich hauptsächlich um Anzeigen und Marketing kümmern. Hier ist es nicht nur wichtig ein Fachpublikum, sondern durch Rezensionen auch einen weiteren Kreis der Öffentlichkeit zu informieren. Neben der Lizenzabteilung, die sich beispielsweise um Bildrechte kümmert, gehört das Lektorat zu einem Verlag, bei dem zwischen der Arbeit am Text, also dem „klassischen Lektorat“, und dem mittlerweile fast nicht mehr praktizierten Kolektorat zu unterscheiden ist.

Neben seiner Tätigkeit als Verlagsleiter, ist Barth als einziger fest angestellter Lektor des Universitätsverlags Winter beschäftigt. Die Arbeit eines Lektors besteht nicht nur aus Korrekturlesen, auch Akquise, also Maßnahmen der Kundengewinnung durch persönliche Verkaufsgespräche, und repräsentative Aufgaben bestimmen den Arbeitsalltag. Da es den Beruf des klassischen Verlagskaufmanns heutzutage nicht mehr gibt, werden von einem Lektor kaufmännische Kenntnisse ebenso erwartet wie ein Hochschulabschluss – optimal wäre eine Promotion. Hilfreich neben bereits vorhandener praktischer Erfahrung, etwa durch Praktika oder ein Volontariat, sind ein möglichst breit gefächertes Wissen und Belesenheit. Jedoch beschäftigen die meisten Verlage inzwischen kaum noch eigene Lektoren, sondern geben die Arbeit an freie Lektoren ab; im ökonomischen Fachjargon wird dies ‚outsourcing‘ genannt, wobei die Bezahlung pro (genormter) Manuskriptseite erfolgt und die Bezahlung kaum im Verhältnis zur Arbeit steht.

Welche Hürden zu nehmen sind, bis eine Dissertation im Sortiment einer Buchhandlung oder in einer Universtitätsbibliothek im Regal steht, führte Barth überdies aus. Als Autor tritt man entweder selbst direkt mit dem Verlag seiner Wahl in Kontakt oder der Doktorvater, der gegebenenfalls sogar eine Publikationsreihe bei einem Verlag als Herausgeber betreut, spricht eine Empfehlung aus. In beiden Fällen erhält der Verlag ein Manuskript des geplanten Buches; liegt dieses dem Verlag vor, wird es zunächst (so im Verlag Winter) einer ersten Prüfung unterzogen, bei der die Frage gestellt wird, ob das Manuskript für die Publikation geeignet ist. Barth hierzu:

„Das oberste Kriterium ist schlicht die Qualität der eingereichten Arbeit. Es kommt vor, dass auch qualitative Arbeiten abgelehnt werden, da sie nicht zum Profil des Verlags passen. Bei Qualifikationsschriften (Diss. oder Habil.) spielt auch die Prüfung eine Rolle, ob diese Arbeiten wirklich Neuland betreten oder nur Bekanntes wiederholen.“

Ist diese Hürde genommen, kommt das Lektorat ins Spiel: Der Lektor gibt Korrekturvorschläge und prüft die Stimmigkeit des Manuskripts. Anschließend wird ein Gutachten erstellt, das an den Autor geschickt wird. Der Prozess des Korrigierens variiert zeitlich und hängt natürlich davon ab, wie schnell eine Einigung zwischen Verlag und Autor gefunden werden kann. Ist eine Einigung erfolgt, wird eine Kalkulation seitens des Verlags erstellt; dabei wird unter anderem entschieden, wie hoch die erste Auflage sein wird, aber auch dem Autor eventuell Hilfe bei der Kostenbeschaffung für den Anteil an den Druckkosten geleistet, „da einige Stiftungen erst die Türen öffnen, wenn ein Verlag auftritt“, so Barth.

Bei geisteswissenschaftlichen Verlagen umfassen Erstauflagen oft Kleinstauflagen von 200 bis 500 Exemplaren, die vor allem Bibliotheken als Abnehmer vorsehen; allerdings kommt es bei der Auflagenstärke auch auf den Herausgeber oder Autor an – ist dieser in Fachkreisen oder sogar darüber hinaus renommiert, so hat er einen größeren Kreis an Interessenten, entsprechend ist auch die Auflage höher.

Da Arbeitstitel (vor allem von Dissertationen oder Tagungen) nicht immer übernommen werden können – meist aus Komplexitätsgründen –, werden die Titel für den Druck häufig durch Vorschläge des Verlags geändert. Hierzu ein Beispiel des Winter-Verlags, das von Barth genannt wurde: „Ein Tagungsband wird eingereicht, der Titel der Tagung lautete: ‚Semiotische, ästhetische und kulturwissenschaftliche Perspektiven des Begriffs der Spur im modernen und postmodernen Diskurs‘. Ein Buchtitel könnte sein: ‚Der Spur auf der Spur. Lesarten eines Begriffs‘.“

Im Anschluss an die Kalkulation, die für jedes Buch individuell gemacht wird, finden unter anderem eine bibliographische Erfassung, die Vergabe einer ISBN-Nummer und die Titelaufnahme statt. Ist dies erfolgt, wird von der Werbeabteilung eine Kurzvita und ein Abstract des Autors (oder der Herausgeber) verlangt und zeitgleich die Umschlaggestaltung in Angriff genommen. Die Covergestaltung kann der Herausgeber oder der Autor beim Winter-Verlag mitbestimmen, ist aber dennoch an das Layout des Verlags gebunden, da dieser ein leicht wiedererkennbares Layout für seine einzelnen Fachgebiete und Buchreihen verwendet.

Sind die genannten Prozesse alle abgeschlossen, werden zunächst einige Exemplare zur Durchsicht für den Verlag und die Herausgeber beziehungsweise Autoren versandt – wenn alles in Ordnung ist, geht die erste Auflage in Druck. Dieser dauert in der Regel circa zwei Monate, wobei etwa fünf bis sechs Wochen für den eigentlichen Druck und zwei Wochen bei gebundenen beziehungsweise eine Woche bei kartonierten Ausgaben gerechnet werden können. Das Optimum für jeden, der einmal sein eigenes Buch in Händen halten möchte, stellt keine Paperback-, sondern eine Hardcover-Version dar; nur stellt sich nicht alleine die Frage nach Dauer des Drucks der jeweiligen Buchform, sondern auch nach den Kosten. Der Traum des Erscheinens der eigenen Arbeit als Hardcover muss nicht aus finanziellen Gründen scheitern: „Im Falle eines 300-seitigen Bandes beziffern sich die Mehrkosten für einen gebundenen Band auf circa 800 Euro. Diese Kosten tragen immer wir, für den Autor ist das also nicht von Bedeutung“, erklärte Barth.

Liegt die Auflage nun vor, wird sie inventarisiert und anschließend ausgeliefert. Neben der Print-Version gibt es auch die Möglichkeit einer Veröffentlichung als eBook, also als digitales Buch. Barth zur deren Veröffentlichung im Winter-Verlag:

„Bislang bieten wir keine eBooks an, dies ist aber in Planung. Starten werden wir zunächst mit dem Zeitschriftensegment, im Buchbereich werden nur ausgewählte Titel künftig auch als eBook angeboten.“

Eine pauschale Aussage darüber, wie lange es vom Einreichen eines Manuskripts bis zur Auslieferung eines Buches dauert, kann nicht gegeben werden, da es einige Variablen gibt, die ein Erscheinen beschleunigen oder auch verzögern können – ein Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten ist nicht unwahrscheinlich.

Neben den Informationen zur Struktur eines Verlags und der Entstehung einer Publikation, sprach  Barth auch speziell über die Aufgaben eines wissenschaftlichen Verlags. Seiner Meinung nach sollten diese „Bücher nicht nur produzieren, sondern Forschung initiieren“. Nicht allein die Produktion von Büchern, sondern ebenso die Vermittlung zwischen Institutionen und Autoren gehöre zur Tätigkeit eines wissenschaftlichen Verlags. Als Beispiel nannte Barth Universitäten, die mit mehreren Verlagen zusammen arbeiteten und gemeinsam mit den Verlagen Forschern dadurch die Möglichkeit bieten würden, auch „unbequeme Ansätze und Ansichten oder solche, die nicht en vogue sind“ zu veröffentlichen.

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