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Gut zu wissen, wo die Bösen sitzen. Über Kunst in der Werbung

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Man regt sich gerne über dieses oder jenes auf. In diesem Fall regt sich die Twitter-Intelligentsia über eine neue MediaMarkt-Kampagne auf. Der Elektro-Fachhändler benutzt auf Twitter Gemälde alter Meister und versieht sie mit Sprüchen, die in Werbeagenturen vielleicht als witzig gelten. Und es wird aufgeschrien. Aber nicht etwa wegen des Frauenbilds der Werbetreibenden, das direkt aus den 1950ern stammen könnte (Frauen interessieren sich da offenbar vor allem für Glätteisen und Pizzaöfen). Sondern weil hier das heilige Kulturgut bildende Kunst für einen ganz profanen Zweck, nämlich Werbung verwendet wird. Die Bilder sind gemeinfrei, und man kann damit anstellen, was man will. Und wenn der MediaMarkt das tut, greift folgende Gleichung: Kunst ist gut, Werbung ist böse.

Der italienische Maler Alesandro Allori ist wahrscheinlich nur ein paar Kunsthistorikern bekannt. Die letzte und einzige Dissertation zu seinem Werk erschien 1958. Vor drei Jahren allerdings wurde sein Porträt eines jungen Mannes zum “Shit’s on Fire, yo”-Meme. Das Bild eines wenig bekannten Renaissancemalers wurde wieder sichtbar als Teil eines kollektiven Bildgedächtnis. Und möglicherweise zum Vorbild für die MediaMarkt-Kampagne.

Shit's on Fire, Yo. Meme, zuerst vom Benutzer jnsbwm 2012 bei Imgurl hochgeladen. Basiert auf dem Gemälde "Porträt eines jungen Mannes" von Alessandro Allori, 1561.

„Shit’s on Fire, Yo.“ Meme, zuerst vom Benutzer jnsbwm 2012 bei Imgurl hochgeladen. Basiert auf dem Gemälde „Porträt eines jungen Mannes“ von Alessandro Allori, 1561.

Ob das jetzt gutes, witziges oder originelles virales Marketing ist, sei dahingestellt. Die Aufregung dreht sich eher um die Verwurstung von Kunst in der Werbung. Denn, so die Annahme, Kunst habe gefälligst über die profane Schmuddelecke des Kommerz erhaben zu sein. Dabei wäre Jan Vermeer sicher froh gewesen, wenn er zu Lebzeiten ein paar Bilder mehr verkauft hätte. Und Vincent van Gogh wäre froh gewesen, wenn er überhaupt etwas verkauft hätte. Schließlich müssen auch Künstler ihre leeren MediaMarkt-Kühlschränke mit irgendwas füllen.

Anstatt also so zu tun, als gäbe es keine Werbung, und sich darüber aufzuregen, wenn sie unzulässigerweise die Grenze zur Sphäre des Ästhetischen antastet, ist es vielleicht ergiebiger, die Warenwelt als ästhetischen Gegenstand zu akzeptieren und ernstzunehmen. Dann wäre der Skandal nicht, dass es Werbung gibt, sondern, dass es schlechte Werbung gibt.

 

Titelbild: Aus dem reddit-Thread „This bedroom with an incredible view,“ hochgeladen von areskol.

2 Kommentare

  1. Hallo Philipp,

    so wenig, wie du wahrscheinlich zum Befürworter für die Mediamarkt-Werbung werden willst, möchte ich als Gegnerin eines offenen Zugangs zur Kunst gesehen werden. Ich will mal versuchen, zu beschreiben, was mir wichtig ist.

    Ich will gerne zugeben, dass es bei der Diskussion wirklich um einen neuralgischen Punkt der Frage geht, wie nutze ich gemeinfreie Kunst. Da wird ja vom Loslassen der Vorstellung einer Deutungshoheit gesprochen. Ich gehöre in jedem Falle da zu der Fraktion derjenigen, die sagt: gebt sie auf. Lasst alle eine eigene Meinung und ihre Deutung der Kunst veröffentlichen. Und man muss sicherlich auch aushalten, dass dann Dinge kommen, mit denen man nicht einverstanden ist. Das belebt ja das Geschäft.

    Ich will aber auch gerne zugeben, dass ich bei kommerzieller Werbung Bauchschmerzen kriege. Weil das mit Deutung auch gar nichts mehr zu tun hat. Aber vielleicht muss man auch dies aushalten, wenn man den offenen Zugang zur Kunst unterstützen möchte.

    Aber es darf trotzdem Kritik an schlechter Werbung erlaubt sein. Hier ging es zudem noch um die Nutzung einer vorher von anderen entwickelten Idee des Art Memes, die nicht gut ankam. Ich finde schon, dass man sich da aufregen darf. Zum Beispiel finde ich auch die Street-Art-Abkupferung von Zalando total furchtbar, die man u.a. hier in Köln sehen kann. Ich mag es einfach nicht, wenn Firmen auf solche Trends aufspringen, die doch eigentlich in einer kreativen und auch dezidiert unkommerziellen Community entstanden sind.

    Ich fand das super, als in meinem Uni-Seminar zwei Studierende die Idee hatten, einen Instagram-Account zu Art Memes anzulegen und da ein bisschen rumzuspielen. Experimente finde ich immer unterstützenswert, da verzeihe ich auch mal, wenn der ein oder andere Spruch ein bisschen daneben geht.

    Bei kommerzieller Werbung lege ich strengere Maßstäbe an! Das muss gut gemacht sein und die Adressaten nicht für dumm verkaufen. Es gibt wirklich klasse gemachte Kampagnen. Diese mit dem Glätteisen und dem Kühlschrank gehören einfach nicht dazu. Und gerade wenn man sich - wie im Falle des Mediamarkt - an den Ikonen der Kunstgeschichte versucht, sollte die ästhetische Messlatte hoch liegen. Ich gebe aber gerne zu, dass das meine persönliche Meinung ist, mein ganz eigenes Empfinden. Ich habe aber nicht gesagt, dass Kunst in der Werbung gar nicht auftauchen darf!!

    Was die Diskussion auf verschiedenen Kanälen angeht, so habe ich den Eindruck, dass da Meinungen vermengt werden zu einem Pro und Contra. Dabei ist uns allen sicherlich klar, dass das Schwarzweißsehen nicht weiterbringt.

    Gut ist aber immerhin, dass man differenziert darüber nachdenkt, was einen an welcher Stelle stört. Und dass man das auch offen miteinander diskutiert.

    Diejenigen, die Freude an der Mediamarkt Werbung haben, sollen das meinetwegen auch weiterhin genießen. Diejenigen, die die Augen darüber verdrehen (ich zum Beispiel), dürfen das auch weiterhin schlimm finden.

    Das würde ich mir für den Umgang mit gemeinfreier Kunst wünschen
    - mehr Kreativität
    - spielerische Experimente
    - Offenheit und Leichtigkeit
    - guten Humor

    Ich sehe da durchaus auch die Museen in der Verantwortung, hier gute Beispiele zu liefern.

    Konnte ich dieses komplexe Thema verständlich machen? Ich lese auch gerne weitere Argumente aus anderer Perspektive. Und freue mich auf einen Austausch von Ideen für die Zukunft.

    Herzliche Grüße von Anke aka Kulturtussi

    P.S. Ach ja, ich hab übrigens nicht ganz die Verbindung einverstanden vom armen Van Gogh zur Werbung. Das ist für mich kein schlüssiges Argument für Kommerzialisierung. Zumindest im Falle der Mediamarkt Werbung wird sich hier wohl kein Künstler den Kühlschrank füllen können.

    • Philipp Hindahl sagt

      Hallo Anke,
      vielen Dank für dein Feedback. Du hast Recht, ich möchte nicht zum Befürworter der MediaMarkt-Werbung werden, weil ich sie für reaktionär und unoriginell halte. Und klar: Kreativität, Offenheit, Humor und Leichtigkeit finde ich auch besser.
      Ich habe aber ehrlich gesagt überhaupt keine Bauchschmerzen, wenn Museumskunst kommerziell verwendet wird. Denn das Problem scheint ja zu sein, dass etwas aus einem unantastbaren Bereich (Kunst!) in eine profane, weil kommerzielle, Sphäre heruntergezogen wird. Ich kann allerdings die Grenze zwischen diesen Bereichen nicht ziehen. Ein etwas plattes Beispiel: Andy Warhol war zuerst Werbegrafiker, bevor seine Werke in den Kanon der Hochkunst aufgenommen wurde.
      Mir ist klar, dass die Mediamarkt-Kampagne umgekehrt funktioniert. Ich würde aber behaupten, dass Kunst schon immer warenförmig ist, also einen Tauschwert hat. Darauf wollte ich mit van Gogh hinweisen. Jemand malt ein Bild und will das dann verkaufen - da nutzt die posthume Kanonisierung wenig. Das war also nicht als Argument für die Kommerzialisierung gedacht, sondern als Hinweis auf die Warenförmigkeit von Kunst.
      Anstatt also Bauchschmerzen zu bekommen, interessiere ich mich eher dafür, warum der Museumskunst so ein unhintergehbarer Wert anhaftet. Und ich frage mich: funktioniert Werbung nicht ganz ähnlich? Denn bei Kunst und bei Werbung werden Gegenstände mit einem immateriellen Mehrwert verkauft. Für die Konsumwelt hat ja die Soziologin Eva Illouz ein paar lesenswerte Sachen dazu geschrieben. Der Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich hat darauf hingewiesen, dass im Konsum Affekte angesprochen werden, die früher der Hochkultur vorbehalten waren, dass man also von einer Konsum- oder Warenästhetik im starken Sinne sprechen kann.
      Ich will mich also nicht zum Apologeten schlechter Werbung machen. Aber ich bekomme Bauchschmerzen, wenn ich von meiner bildungsbürgerlich privilegierten Position aus beurteilen soll, wie Kunstwerke richtig oder falsch gebraucht werden - weil ich es eben nicht weiß. Mich interessiert eher, wieso Grenzen gezogen werden, und was passiert, wenn sie überschritten werden.

      Liebe Grüße,

      Philipp

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