Kunsthistoriker im Gespräch
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Volontärsarbeit

Ein hohes Maß an Verantwortung und ein Händchen für zeitgenössische Kunst sollte haben, wer sich bei der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden bewirbt. Zwei, die diese Anforderungen erfüllten sind Dr. des. Julia Wirxel und David Riedel, die seit September 2008 als Volontäre in der Kunsthalle tätig sind. Anlässlich unseres Specials rund um das Thema Promotion, wollten wir es genau wissen: Ist sie wirklich Pflicht oder doch Kür? Dass es auch ohne geht, zeigt David Riedel, der sich genauso für die klassizistischen Grabmäler Johannes Wiedewelts wie für zeitgenössische Kunst begeistern kann. Einen anderen Weg wählte Julia Wirxel, die nach dem Studium an der Uni als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitete und über die „Idyllen zeitgenössischer Kunst“ promovierte. Heute arbeiten die Kunstwissenschaftlerin und der Kunsthistoriker Seite an Seite und berichten im Gespräch mit uns von ihrer Arbeit im Museum, vom Studium und dem Einstieg in den Beruf, vor allem aber von ihrer Begeisterung für zeitgenössische Kunst.

Was zeichnet die Kunsthalle Baden-Baden aus?

David Riedel: Die SKBB ist ein Ausstellungshaus für zeitgenössische Kunst mit einem klaren Konzept: Minimalistische und konzeptuelle künstlerische Positionen der 1980er, 1990er und 2000er Jahre werden präsentiert und es wird immer wieder auf wichtige Vorbilder der jungen Künstlergeneration aus den 1960er und 1970er Jahren verwiesen.

Julia Wirxel:
Die Direktorin Karola Kraus steht für Konzeptkunst und Minimal Art und ist zudem Neuem gegenüber sehr aufgeschlossen, wie sich an dem innovativen Ausstellungsprojekt „7 x 14“ zeigte, das insgesamt sieben work-in-progress-Positionen vereinte. Es war eine sehr rasante Zeit mit vielen Künstlerinnen und Künstlern, deren Präsentationen im Zwei-Wochen-Rhythmus eröffnet wurden.

Tobias Rehberger, Café Kunsthalle Baden-Baden, 2009, Foto: Wolfgang Günzel

Wie ist die Kunsthalle organisiert?

David Riedel: Die Kunsthalle hat eine künstlerische Leitung, sprich die Direktorin Karola Kraus (geborene Grässlin) und eine Verwaltungschefin. Darüber hinaus einen Pressesprecher, drei wissenschaftliche Mitarbeiter, also uns Volontäre, und ein Team zum Ausstellungsaufbau, für Kasse und Administration. Und wir brauchen immer wieder fleißige Praktikantinnen und Praktikanten, die bei uns eigentlich immer viel zu tun haben.

Julia Wirxel:
Die Kunsthalle Baden-Baden ist ein Landesbetrieb des Landes Baden-Württemberg. Außerdem besitzt die Kunsthalle keine eigene Sammlung.

An welchen Projekten arbeitet Ihr momentan?

David Riedel: Wir bereiten gerade das Ausstellungsprogramm 2010 und sogar 2011 vor. Verraten werde ich mal noch nicht so viel.

Julia Wirxel:
Aktuell arbeite ich an der Ausstellung des Berliner Malers Stefan Müller, die im März 2010 eröffnen wird. Wir zeigen Werke aus den letzten zehn Jahren und Müllers Entwicklung wird verdichtet in den neun Oberlichtsälen nachzuvollziehen sein. Ich bin sehr gespannt! Selbstverständlich bin ich zudem in die Vorbereitung zu der kommenden Georg Baselitz-Ausstellung eingebunden.

Stefan Müller: "Ohne Titel", 2006, Chlor auf Stoff

Stefan Müller: „Ohne Titel“, 2006, Chlor auf Stoff

Ohne geht’s nicht: Eigenverantwortung und Teamgeist

Welche Aufgaben habt Ihr neben Eurer Arbeit an den einzelnen Projekten - wie sieht Euer Berufsalltag aus?

David Riedel: Jeder von uns Volontären hat eigene Ausstellungsprojekte, die er betreuen darf. Und das heißt vom ersten Konzept über den Katalog und die Leihgaben bis zur Eröffnungsfeier, Vermittlung und schlussendlich dem Abtransport. Natürlich müssen wir uns mit der Direktorin absprechen.

Julia Wirxel:
Wir arbeiten stets an dem jeweiligen eigenen Projekt und unterstützen jedoch auch die gerade aktuellen Projekte, z.B. jetzt gerade bei der Katalogredaktion und der Erstellung des Werkverzeichnisses zu den Skulpturen von Georg Baselitz.

Was schätzt Ihr an Eurer Arbeit und was gefällt Euch nicht so gut?

David Riedel: Ich schätze an meiner Arbeit, dass ich sehr viel eigene Verantwortung habe, meine Meinung auch abseits meiner eigenen Projekte gefragt ist und ich in einem kleinen Team eigentlich in jeden Bereich einmal reinschnuppern darf.

Julia Wirxel:
Die Tätigkeit in der Kunsthalle ist sehr abwechslungsreich. Es macht großen Spaß in so viele Projekte gleichzeitig involviert zu sein und zum Beispiel mit den Künstlern über ihre Arbeiten zu diskutieren, die Ausstellung zu planen oder auch Katalogtexte zu schreiben.

Haben sich die Vorstellungen, die Ihr von Eurem Job hattet bewahrheitet?

David Riedel: Ja, die haben sich voll bewahrheitet. Jetzt warte ich noch auf die erträumte Bezahlung…

Julia Wirxel:
Ja.

David Riedel

David Riedel: Spaß und Begeisterung für die Kunst sind das Wichtigste.

Wie sah Euer Berufseinstieg aus?

David Riedel: Ich habe mich immer mit Händen und Füßen gegen Praktika gewehrt. Dann habe ich aber gemerkt, dass das Spaß machen kann, auch wenn ich in Paris schnell den Namen „Kekspraktikant“ weghatte und für berühmte alte Kunsthistoriker Kaffee kochen und Melonen kaufen durfte. War trotzdem lustig. Und sehr lehrreich. Später habe ich dann während meines ganzen Studiums gearbeitet, ich habe bei Ausstellungen mitgeholfen oder Führungen gegeben. Das Studium wurde dagegen ziemlich langweilig. Nach dem Studium habe ich in der Kunsthalle Bielefeld sogar Büro an Büro mit meinem besten Freund gearbeitet, das war natürlich nicht zu toppen.

Julia Wirxel:
Ich habe nach dem Studium an der Universität zu Köln, Institut für Kunst und Kunsttheorie als wissenschaftliche Mitarbeiterin gearbeitet und zu dem Thema „Idyllen in der zeitgenössischen Kunst“ promoviert. Mit den Studierenden habe ich in jedem Seminar themenbezogen Kunstinstitutionen in Köln und Umgebung besucht, wie den Kölnischen Kunstverein, und Atelierbesuche bei interessanten Künstlerinnen und Künstlern organisiert. Zu meiner Arbeit an der Universität gehörte auch die Organisation von Tagungen, die Herausgabe und Redaktion des jeweiligen Tagungsbandes und das Verfassen von wissenschaftlichen Aufsätzen und Vorträgen. Neben der Tätigkeit an der Uni habe ich Kunstkritiken verfasst und Ausstellungen kuratiert, z.B. für die Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst Münster „Lügen.nirgends – Zwischen Fiktion, Dokumentation und Wirklichkeit“.

Was sind Eigenschaften, die man mitbringen muss, um erfolgreich in einer Einrichtung wie der Kunsthalle zu arbeiten?

David Riedel: Man muss mit Wissenschaftlern genauso zurecht kommen können wie mit der Putzfrau und den Handwerkern - also eine schöne Mischung finden zwischen dem, was man im Studium erlernt hat und dem, was man hoffentlich im Leben gelernt hat. Uh, wie philosophisch. Ich merke vor allem, dass man auch mal 12 Stunden am Stück arbeiten können muss und das man vor allem im Umgang mit jungen Künstlern trinkfest und stressresistent sein muss. Und für einen Katalogtexte muss man schon in der Lage sein, einigermaßen spannende Beschreibungen mit einer guten Interpretation zu liefern.

Julia Wirxel:
Leidenschaft für die Kunst und Freude an der Teamarbeit.

Wie viele Bewerbungen habt Ihr geschrieben, bis Ihr eine Zusage hattet?

David Riedel: Zwei.

Julia Wirxel:
Eine.

So früh wie möglich

Julia Wirxel

Sind Auslandserfahrungen, Praktika und ähnliches hilfreich beim Einstieg in das Berufsleben?

David Riedel: Und wie. Niemand hat nach meiner Magisterarbeit, nach Thema oder Note gefragt. Das ist aber wahrscheinlich woanders auch anders. Dass ich mal in Paris studiert habe, ist sicher hilfreich gewesen. Dass ich dort alles andere gemacht außer studiert habe, muss ja niemand wissen. Überhaupt hat sich niemand wirklich für Noten und Ähnliches interessiert. Praktika sind hilfreich, nach dem oben erwähnten Kaffeekochen habe ich mir bis dahin unbekannte Berufe wie den Registrar kennengelernt, tonnenschwere Schachspiele japanischer Künstlerinnen transportieren lassen und in der Malstube kleine Schulkinder bespaßt. Das alles wird schon irgendwie vorausgesetzt, wenn man als Volontär eine Ausstellung organisiert.

Julia Wirxel:
Ich finde Auslandsaufenthalte sehr wichtig, ebenso Praktika und Jobs, weil man auf vielen Ebenen seinen persönlichen und beruflichen Horizont erweitern kann.

Wie sah Euer Studium aus - habt Ihr mehr im Studium oder während Praktika bzw. studienbegleitenden Nebenjobs gelernt?

David Riedel: Ich habe im Studium eine Menge gelernt. Wenn ich an meine Seminare denke - in Münster ist man eher an der Italienischen Renaissance orientiert und mit großem Glück hat man ein Seminar zu Francis Bacon -, habe ich gelernt, dass mich die Forschung nicht wirklich begeistert. Ich habe allerdings ein tolles kunstgeschichtliches Wissen dank dieser ziemlich konservativen Schule, so dass man sich in Venedig gleichzeitig für die Biennale und für Tizians „Assunta“ begeistern kann - na ja dann doch eher für die Bellinis.

Julia Wirxel:
Ich habe in der Theorie wie in der Praxis ganz unterschiedliche Dinge gelernt. Da ich mit sehr engagierten Kommilitonen studierte und wir viel selbst organisiert haben, hat sich ganz automatisch die Theorie mit der Praxis vermischt. Schön war auch, dass an den Unis, an denen ich gelernt beziehungsweise unterrichtet habe, der Schwerpunkt auf der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts lag.

Inwieweit habt Ihr schon während Eures Studiums auf den Beruf in einem Museum hingearbeitet?

Julia Wirxel: Ich habe an verschiedenen Kunstinstitutionen gearbeitet und Praktika absolviert.

Bachelor oder Promotion?

Julia, Du bist promoviert, David, Du hingegen nicht. Hast Du noch vor zu promovieren?

David Riedel: Ja, habe ich. Aber ich wehre mich noch etwas dagegen. Studium und „Kritischer Literaturbericht“ sind noch zu nah.

War die Promotion hilfreich beim Berufseinstieg?

Julia Wirxel: Mein Berufseinstieg war die Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität, um zu promovieren.

Wo seht Ihr Vor- und Nachteile?

Julia Wirxel: Ich wollte unbedingt zu zeitgenössischer Kunst forschen. Und als mir in der Abschlussphase meines Studiums eine Stelle in Köln an der Uni von meiner späteren Doktormutter angeboten wurde, habe ich sofort zugesagt.

Kreativer Thinktank: Das Büro der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden.

Die neuen Bachelor- und Masterabschlüsse suggerieren, dass ein Studium von nur sechs Semestern die Studenten ausreichend auf den Beruf vorbereitet. Ist es da überhaupt noch zeitgemäß, dass in Stellenanzeigen explizit promovierte Kunsthistoriker gesucht werden?

David Riedel: Ich bezweifle ziemlich stark, dass man sich in sechs Semestern auch nur annähernd einen Überblick über die Kunstgeschichte verschaffen kann, geschweige von Methoden und dem ganzen drumherum. Und für Praktika bleibt auch keine Zeit. Und um mal ins Kino zu gehen oder in ein gutes Konzert… Das ist ja auch mal wichtig. Übrigens, auch wenn man im Museum arbeitet, redet man hoffentlich manchmal auch über Dinge außerhalb der Kunst. Manche Hürden wird man aber ohne Promotion nur schwer nehmen können.

Julia Wirxel:
Meiner Meinung nach sind sechs Semester zu kurz, da dann Breite und Tiefe des Studiums verloren gehen. Gerade bei den Geisteswissenschaften sollte man sich etwas Zeit lassen, um seinen Schwerpunkt zu finden, sich entwickeln zu können und nicht auf der Jagd nach Credit Points neben Jobs und Privatleben durch das Studium zu rasen ohne nach links und rechts zu schauen. Eventuell kann die Promotionsphase bei einer so knappen Studiendauer das „Versäumte“ wieder ausgleichen.

Vom Klassizismus in die Gegenwart

David, in Deiner Magisterarbeit hast du Dich mit einem klassischen Thema Johannes Wiedewelts Grabmäler Christians VI. und Frederiks V. befasst. Während des Studiums hören viele Studenten fast ausschließlich Vorlesungen zu „alter Kunst“. Hast Du da andere Erfahrungen gemacht, sprich wie hast Du den Sprung zur zeitgenössischen Kunst geschafft?

David Riedel: Ich habe mir ein „klassisches“ Thema ausgesucht, weil meinem Professor mein Wunschthema zu modern war. War auch besser so, er ist Experte für klassizistische Plastik. Also habe ich einen Künstler ausgesucht, der mich wegen meiner persönlichen Vorlieben interessiert, nämlich einen dänischen Künstler, Johannes Wiedewelt. Nie gehört? Kein Problem. Es war wahnsinnig spannend, aber ich habe ganz schnell gemerkt, dass mich zeitgenössische Kunst und der Kontakt mit den Künstlern total begeistert. Da waren die skulptur projekte münster 07 eine super Erfahrung. Ich musste zwar auch mal wieder Kaffee kochen, durfte mich aber Studentischer Volontär nennen und war Assistent der Pressesprecherin. Und was ich da dann alles machen durfte mit zeitgenössischen Künstlern… zum Beispiel Elmgreen & Dragset bei der Umsetzung ihres Projektes zu helfen, das war sehr sehr spannend.

"Baselitz. 50 Jahre Malerei. 30 Jahre Skulptur" in der Kunsthalle Baden-Baden

Wie wichtig ist es für Studenten noch in der Ausbildung Kontakte zu sammeln, um später in der Museumslandschaft Fuß zu fassen?

David Riedel: Kontakte? Mh. Total wichtig ist das. Und es macht nebenbei auch Spaß, denn viele total wichtige Leute, die man kennen lernt, haben auch interessante Dinge zu erzählen (nicht alle…). Ich habe in Paris viele Monate für Werner Spies gearbeitet. Ich glaube nicht, dass er sich an mich erinnert. Kontakte sammeln lohnt nur, wenn man den Kontakten auch was zu sagen hat. Als ich in Baden-Baden genommen werden sollte, hat meine Chefin erstmal bei meinem alten Chef angerufen. Dieser Kontakt war also wichtig. Und hilfreich.

Julia Wirxel:
Wie überall sind auch im Kunstkontext Kontakte wichtig, aber es zählen auch fachliche und persönliche Qualitäten und Erfahrungen.

Welche Ratschläge könnt Ihr Studenten abschließend geben?

David Riedel: Ich bin immer ziemlich gut gefahren mit viel, viel Begeisterung und Engagement und mit wenig Ehrgeiz. Dann macht das auch viel mehr Spaß. Und wenn es um zeitgenössische Kunst geht, rate ich zu vielen offenen Augen was Film, Musik, Theater und Ausstellungen angeht. Ich habe nie viele Kommilitonen bei Ausstellungseröffnungen gesehen. Ich habe im Studium leider auch nicht gelernt, was eine Ausstellung gut oder schlecht macht. Manchmal lerne ich da heute noch…

Julia Wirxel:
Ein wichtiger Rat ist, sich sehr viele Ausstellungen anzusehen, auf Messen zu gehen, denn Abbildungen vermitteln oft nicht den optimalen Eindruck, gerade von Installationen oder Mehrfachprojektionen. Und es ist sicher hilfreich die vielleicht vorhandene Scheu vor Galeriebesuchen abzulegen. Das fiel einigen meiner Studierenden schwer. Natürlich sind Studierende nicht die erhofften Sammler, die in diesem Moment die Galerie betreten, aber eventuell die Kritiker, Kuratoren oder Künstler von morgen. Außerdem kann man auch in einer Galerie oder einem Projektraum mit den Galeristen oder Künstlern ins Gespräch kommen, gerade auch bei Eröffnungen.

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