Autor: Philipp Hindahl

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Das große Post Internet ABC. Teil 1: Arbeit bis Facebook

Es muss so ungefähr 2010 gewesen sein, als ein Begriff auftauchte, der eine schnelle Karriere als Buzzword der Kunstwelt machte: Post Internet. Das klingt wie ein neuer post-Irgendwas Theoriehype. Oder so, als wäre das Internet jetzt vorbei. Ist es natürlich nicht. Und eine Theorie ist es auch noch nicht, denn die akademische Kunstwissenschaft fängt gerade erst an, diese neuen Künstler wahrzunehmen. Für Post Internet-Kunst gibt es weder ein bevorzugtes Medium, noch eine Form, auf die sich die Arbeiten festlegen lassen. Skulptur hat ein unerwartetes Comeback, genauso wie Malerei. Es gibt noch gedruckte Bücher, und es gibt noch Popmusik nach dem Internet. Aber es gibt auch Social Media und es gibt Künstler, deren Arbeiten nur im Netz funktionieren. Das ist noch ein Überbleibsel aus der Prähistorie von Post Internet: der net-art. Also: Post Internet-Kunst sieht weder irgendwie aus, noch ist sie auf eine bestimmte Technik festgelegt. Vielleicht gibt es Post Internet-Kunst eigentlich gar nicht. Aber irgendwie hat das Internet doch einen Einfluss auf aktuelle Kunst. Deshalb haben wir in unserem Post Internet-ABC alles zusammengestellt, was man …

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Von der Hafenstraße in die Hafenstraße. Daniel Richter feiert in einem Keller

Wenn der Maler Daniel Richter eine Party feiert, dann am besten in der Hafenstraße. Aber nicht in Hamburg, sondern in Frankfurt. An der Grenze zum Gallusviertel ist das Bahnhofsviertel noch nicht domestiziert. Hier gibt es eine Menge leerstehender Gebäude aus der Zeit, als das Gebiet zwischen dem Bahnhof und dem F.A.Z.-Hauptquartier Boomtown war. “Da liegen die Crack-Raucher zwischen den Hochhäusern herum,” hat Christian Kracht einmal geschrieben. Vor ein paar Wochen hat in einer alten Spielothek ein neuer Club aufgemacht. Eine Straße weiter, in der Hafenstraße, hat noch ein Club aufgemacht. Der heißt Hafenstraße 51 und ist im zweiten Untergeschoss. Über Rampen geht es in den Keller unter dem Commerzbank Trading Center, Baujahr 1976. In einen von der Finanzwelt vergessenen Randbereich. Natürlich passen Techno und mit Rohbeton ausgekleidete Kellerräume sehr gut zusammen. Also Berliner Technokitsch, nur im Frankfurter Bahnhofsviertel, in einer Straße die ausgerechnet auch Hafenstraße heißt. Daniel Richter muss gelegentlich erklären, dass er nie in einem der besetzten Häuser in der Hamburger Hafenstraße gewohnt hat. Aber in der Gegend hat er sich viel herumgetrieben in …

Heather Cassils
Advertisement: Homage to Benglis , 2011
c-print
40 x 30 inches
edition of 3
photo: Heather Cassils with Robin Black
Courtesy Ronald Feldman Fine Arts, New York

Nackt geboren. „Homosexualität_en“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin

“Homosexualität wird museumsreif”, meldet die dpa. Freilich gibt es das Schwule Museum in Berlin schon lange, nämlich seit den Achtzigern. Aber das scheint eher eine Randerscheinung zu sein, könnte man meinen. Also weit weg von der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Wo genau das ist, weiß eh keiner so genau, aber man kann schon gefahrlos behaupten, dass das Deutsche Historische Museum in Berlin der Mitte ziemlich nahe kommt. Von Jens Bisky in der Süddeutschen als verlässlich langweilig bezeichnet, zeigt das DHM gerne Ausstellungen, die einem Bildungsauftrag nachkommen. Zum Glück ist die Ausstellung “Homosexualität_en,” eine Kollaboration vom Historischen Museum und dem Schwulen Museum, nicht allzu didaktisch ausgefallen. Ohne einen kleinen Skandal geht es auch nicht: Schon vor der Ausstellung gab es Ärger um das Ausstellungsplakat. Das Plakat zeigt ein Foto von der Performancekünstlerin Heather Cassils, nachdem sie sechs Monate lang Gewichte gestemmt hat. Ob man nicht einfach ganz normale Schwule zeigen könne, hieß es. Gerade das will der Plural im Titel der Schau aber sagen: Es gibt eben nicht die eine, ganz normale Homosexualität, sondern viele verschiedene. Es gibt …

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Gut zu wissen, wo die Bösen sitzen. Über Kunst in der Werbung

Man regt sich gerne über dieses oder jenes auf. In diesem Fall regt sich die Twitter-Intelligentsia über eine neue MediaMarkt-Kampagne auf. Der Elektro-Fachhändler benutzt auf Twitter Gemälde alter Meister und versieht sie mit Sprüchen, die in Werbeagenturen vielleicht als witzig gelten. Und es wird aufgeschrien. Aber nicht etwa wegen des Frauenbilds der Werbetreibenden, das direkt aus den 1950ern stammen könnte (Frauen interessieren sich da offenbar vor allem für Glätteisen und Pizzaöfen). Sondern weil hier das heilige Kulturgut bildende Kunst für einen ganz profanen Zweck, nämlich Werbung verwendet wird. Die Bilder sind gemeinfrei, und man kann damit anstellen, was man will. Und wenn der MediaMarkt das tut, greift folgende Gleichung: Kunst ist gut, Werbung ist böse. Bad Hair Day? Mit dem richtigen Glätteisen hätte sie die Krause nicht verstecken müssen #truestory pic.twitter.com/At8TxnlQNV — Media Markt (@mediamarkt_de) July 21, 2015 Der italienische Maler Alesandro Allori ist wahrscheinlich nur ein paar Kunsthistorikern bekannt. Die letzte und einzige Dissertation zu seinem Werk erschien 1958. Vor drei Jahren allerdings wurde sein Porträt eines jungen Mannes zum “Shit’s on Fire, yo”-Meme. Das …

Sänger Ariel Pink bei der Arbeit, © by Anders Jensen-Urstad

Vom Spaß zum Stahlbad. Doug Aitkens „Station to Station“

Die Merry Pranksters waren Mitte der 1960er eine Art psychedelischer Wanderzirkus. Mit einem bunt bemalten Bus wurden die Blumenkinder durch die USA gefahren. Jack Kerouacs alter Freund Neal Cassidy, voll mit Amphetaminen, fuhr den Bus. Der Road Trip hat in den USA eine lange Tradition: Die Drogenfreaks der 1960er fahren dem bürgerlichen Leben davon, privilegierte weiße Mittelstandskinder suchen dabei ihr Ferienvergnügen. Über Doug Aitkens Happening Station to Station schrieb die amerikanische Wired, es sei auch eine “vision quest”, die Suche nach Visionen. Der Künstler lässt einen Zug quer durch die USA fahren. 24 Tage lang, mit zehn Stops und neun Waggons, im attraktiven Siebziger-Look mit Panoramafenstern. In den Zug packt Aitken einige Kreative, die entweder bei einem der Stops zwischen New York und San Francisco oder gleich im Bahnwaggon etwas aufführen. Daraus sind 62 einminütige Clips geworden. Da spielt zum Beispiel der immer noch nicht ergraute Thurston Moore den Teenage Angst-Kracher “Schizophrenia.” Olafur Eliasson hat eine kybernetische Zeichenmaschine gebaut, die das Rattern des Zugs in eine zittrige Linie verwandelt. Der Italo-Disco Innovator Giorgio Moroder findet …