Alle Artikel mit dem Schlagwort: Pop

In Kreuzberg und anderswo trinkt man wieder Filterkaffee. Foto: Anika Meier

Wachbleiben. Kleine Kulturgeschichte des Kaffees

Kreuzberg, Hackney oder Williamsburg heißen die Stadtteile, in denen die dritte Kaffeerevolution stattfindet. Seit der Kaffee im 17. Jahrhundert nach Europa kam, und seit es in den 1950ern chic wurde, Espresso zu trinken wie die Helden italienischer Filme, hat sich einiges getan. Vielleicht ist das gar kein Umsturz. Aber es ist neu, dass die arrivierten Mittelstandskaffeetrinker jetzt genau wissen wollen, woher ihr Kaffee kommt. Pur soll er getrunken werden, ohne Haselnuss- oder Himbeersirup, ohne Sahne oder Sojamilchschaum. Die Frage nach der Röstung ist wichtiger als die Frage nach Milch und Zucker (weder noch, ist meistens die Antwort). Hier geht es vor allem um den Kaffee. Aber beim Kaffeetrinken geht es auch um alles andere. Die Geschichte des Kaffees ist die Geschichte der europäischen Moderne. Oder umgekehrt. In den ersten Kaffeehäusern in England, um 1650, herrschte ein egalitärer Geist, zumindest unter denjenigen, die sich das teure Getränk leisten konnten. Es durfte sich jeder neben jeden setzen, und jeder durfte mit jedem sprechen. In Paris eröffnete 1689 das Café Procope. Anne-Antoinette Diderot gab ihrem Mann jeden Tag neun …

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In Farbgewittern. Jonathan Meese in Berlin

Die Berliner Galerie Contemporary Fine Arts vertritt Jonathan Meese zwar nicht mehr, zeigt aber in der Schau „Johnny Come Home II“ Arbeiten des Künstlers aus dem Jahr 2006. Im zweiten Stock der Galerie am Spreeufer hängen Gemälde, fast alle im gleichen Format, und zwei Plastiken sind zu sehen. Was nach Gesamtkunstwerk klingt, ist vielleicht der Wunsch, noch einmal von vorne anzufangen. Die erste Plastik – genauer: Statue – heißt „Dr. No (Meesaint Just II mein ich, die Warheit)“. Das Bronzestandbild zeigt den salutierenden Kunst-Messias Meese heroisch, aber mit zerfließender, rauer Oberfläche. Wie als Komplement steht in einem abgeteilten Raum nebenan „Napoleon“. Ebenfalls in heroischer Pose, mit Zweispitz und wie behangen mit Lumpen, verwirren beide Plastiken doch mit ihrem Naturalismus. Aber die Figuren ähneln denen, die sich auf Meeses Leinwänden finden.     Die Leinwände sehen aus, als wären sie schnell mit Farbe beschmiert worden. Figuren, wie Kinderzeichnungen, versehen mit Parolen in Großbuchstaben, hängen an den Wänden. Wie Reste einer vergangenen Zeit, in der Wörtern wie „total“ und Vorsilben wie „Erz-“ noch ein Heilsversprechen unterstellt wurde. …

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Von Pixeln und Märtyrern. Harun Farocki und Robert Wilson in Paris

In einer schmalen Straße im Osten von Paris liegt, einigermaßen unscheinbar, die Galerie Thaddaeus Ropac. Am Empfangstisch vorbei kommt man im Erdgeschoss in einen abgedunkelten Raum, in dem vier Leinwände von der Decke hängen. Vor jeder Leinwand eine Bank, über jeder Bank ein Lautsprecher, aus dem eine nur für den jeweiligen Zuschauer hörbare Stimme das Geschehen auf der Leinwand kommentiert. Im Dunkeln und von Leinwänden umgeben, könnte man meinen, in eine zeitgenössische Variation der Panoramen des 19. Jahrhunderts geraten zu sein. Aber man hat es hier doch nicht mit der Illusion einer vollständigen Welt zu tun. Statt von einer bemalten Leinwand hat man hier vier Filme von Harun Farocki („Parallele I-IV“) vor sich. Oder genauer: viermal Ausschnitte aus Videospielen und Computeranimationen von Landschaften, Wasser und Wolken.  Auf den ersten Blick scheint es, als habe Farocki sein Material so vorgefunden, wie er es mit nur sparsamen Kommentar versehen zeigt. Aber die Ausschnitte sind doch genau komponiert. „Parallele I“ leistet, was im Film klassischerweise ein establishing shot macht. Die Welt der Handlung, sozusagen der Ort der Erzählung wird abgesteckt. …

„Ein Musikvideo ist Kunst über Kunst“. Henry Keazor über Kunstgeschichte und Musikvideos

Henry Keazor ist gerade als Professor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an die Universität Heidelberg berufen worden. Mit uns sprach er über sein DFG-Projekt „Zur ästhetischen Umsetzung von Musikvideos im Kontext von Handhelds“, die Zukunft des Musikvideos in Zeiten von Smartphones und über sein Lieblingsmusikvideo.