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Ein halb voller Kaffeebecher. Tim Brüning und Frank Pabst „Für das bisschen Nachwelt“ in Hamburg

Als Tim Brüning vom Tod seines Onkels Frank erfährt, macht er sich auf den Weg zu ihm. Er setzt sich in den Zug, fährt zu seiner Wohnung in einem Mietshaus in Wilhelmshaven und fotografiert. Frank ist nicht mehr da. Er ist nur 51 Jahre alt geworden, aber alles ist noch so wie es war, bevor die Polizei die Türe aufbrechen musste, weil er nicht mehr ans Telefon ging und die Türe nicht mehr öffnete. Frank Pabst war ein Künstler, er malte, zeichnete und schnitzte Skulpturen aus Holz. Er war ein Sammler, der Erinnerungsstücke verwahrte und Dingen Raum in seiner Wohnung ließ, die Tim Brüning, als er sie nach einigen Jahren wieder aus Kisten hervorholt, begeistert „freakigen Scheiss“ nennt.

Drei Jahre später ist die Wohnung längst wieder vermietet. Der Besitz des Bewohners, seine Kunst, persönliche Gegenstände und seine Fundstücke haben Tim Brüning und seine Großmutter übernommen. Einige der Fundstücke, eine Audio-Installation und die Fotos von Brüning, die er am Morgen nach dem Tod seines Onkels mit einer Contax G2 in der Wohnung machte, sind jetzt zusammen mit den Skulpturen, Zeichnungen und Gemälden von Frank Pabst in der Ausstellung mit dem Titel Für das bisschen Nachwelt in einer Ausstellung in Hamburg zu sehen. Mit der Doppelausstellung setzt Tim Brüning gewissermaßen als künstlerischer Nachlassverwalter seinem Onkel, mit dem er als Kind viel Zeit verbrachte, viel Musik hörte, viel Kunst und viel Unsinn machte, ein kleines Denkmal.

Tim Brüning lebt und arbeitet als freier Fotograf in Hamburg, er ist u. a. für Zeitungen und Magazine, wie Die Zeit, die Süddeutsche Zeitung und das Vice Magazin, tätig. Im eigenen Atelier hat er ein paar der Skulpturen von Pabst noch einmal vor einer weißen Wand aufgenommen. Die Fotografien aus der Wohnung zeigen, wo sie einstmals hingen und standen. Und während die Erinnerung verblasst, holen die Fotos Frank Pabst, der auf den Bildern fehlt, weil er nicht mehr da war, mit dem bisschen Nachwelt zurück. Roland Barthes suchte einst das Wesen seiner verstorbenen Mutter in einer Fotografie, die sie als fünfjähriges Mädchen zeigt, um über ihren Tod hinwegzukommen. Tim Brüning rekonstruiert seinen Onkel hauptsächlich durch die Abwesenheit im Bild, über das, was ihm wichtig und aufbewahrenswert erschien.

Im Katalog erinnert sich Brüning an den Juli im Jahr 2012 zurück. An den Tag, als er in die Wohnung seines Onkels ging, um Fotos zu machen: „In der Luft schwebt Zigarretendunst und ein Geruch wie ich ihn aus seiner Kellerwerkstatt kenne. (…) Im Wohnzimmer ein halb voller Kaffeebecher, daneben Tabak, Blättchen und vorgedrehte Kippen. Die Cowboystiefel stehen ausgezogen neben dem Tisch.“

 

 

Die Vernissage findet am 4. September in der Galerie Hinterconti in Hamburg statt. Von 19-23 Uhr. Im Anschluss weitere Feierei im Komet. Es wird darum gebeten, beim Locationwechsel nicht zu trödeln, denn um 23.30 Uhr geht ein Surprise Act auf die Bühne. Für Bier ist gesorgt.

Die Ausstellung Tim Brüning & Frank Papst - Für das bisschen Nachwelt läuft vom 5.-20. September 2015. Öffnungszeiten: Do.-So. 16-20 Uhr. Ein Katalog ist in limitierter Auflage von 30 Stück während der Vernissage erhältlich.

Tim Brüning auf Instagram.
Tim Brünings Homepage.

1 Kommentare

  1. Michael Seiwert sagt

    Schöner Text, berührende Ausstellung! Danke für’s drauf aufmerksam machen!

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