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“Messen sprechen alle Sinne an”. Die Art Collection Telekom auf der Art Cologne

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Die Art Collection Telekom vergibt in diesem Jahr zum vierten Mal den Art Cologne Award for New Positions. Außerdem zeigt die Telekom auf der Kölner Messe ausgewählte Arbeiten aus ihrer Sammlung. Antje Hundhausen ist als Vice President Brand Experience bei der Deutschen Telekom für den Aufbau der Art Collection Telekom zuständig. Wir sprachen mit ihr darüber, warum der Sammlungsschwerpunkt auf osteuropäischer Kunst liegt, und sie erklärt, warum große Unternehmen Kunst sammeln und warum sie das auf einer Kunstmesse zeigen. Eins ist klar: Firmensammlungen haben den üblen Ruf hinter sich, bloße Investitionsobjekte zu sein. 

 

Frau Hundhausen, Sie stellen Werke von Braco Dimitrijevic  und Sanja Ivekovic aus — was verbindet die Künstler?
Die Kunstwerke von Braco Dimitrijevic und Sanja Ivekovic stammen aus verschiedenen Zeiten des gesellschaftlichen Aufbruchs auf dem Balkan — jeweils aus den 1970er und den frühen 2000er Jahren. Sie stellen wichtige historische Zeitpunkte dar. Gleichzeitig sind die Werke hochaktuell.

Wie das?
Dimitrijevics Werk This could be a place of historical importance entstand im Jahr 1972. Er nimmt Bezug auf die Fragwürdigkeit historischer Bewertungen und die Bedeutung des Alltäglichen. Die beschriftete Bodenplatte weist darüber hinaus auf das Potential hin, das jeder Moment im Leben haben könnte.

Die Serie Women’s House (Sunglasses) von Sanja Ivekovic ist durchaus kritisch.
Sanja Ivekovic verfolgt einen feministischen Ansatz. Mit ihren Postern zeigt sie, dass das öffentlich propagierte Frauenbild nicht mit der realen Situation zusammenpasst. Das betrifft nicht nur Frauen in Osteuropa.

Ist Ihnen wichtig, dass die Kunst in Ihrer Sammlung politisch ist?
Ich glaube, dass gute Kunst eine wichtige Rolle dabei spielt, die Wirklichkeit in ihrer manchmal verwirrenden und häufig kontroversen Komplexität besser verstehen zu können. Die Veränderungen, die in den letzten 25 Jahren in den Ländern Ost- und Südosteuropas stattgefunden haben, sind rasant. Die Gesellschaften befinden sich in einem permanenten Umbruch. Diese Entwicklungen haben große Auswirkungen auf das gesellschaftliche und politische Klima in ganz Europa. Insofern ist das Politische ein wichtiger Aspekt unserer Sammlung.

Was verbindet die beiden Künstler?
Die beiden künstlerischen Positionen ergänzen sich. Sie geben einen Einblick in die Aufbruchsstimmung, die in den 1970er Jahren im sozialistischen Jugoslawien in der jungen Generation herrschte und zu Anfang der 2000er Jahre in der gesamten Gesellschaft. Beide Künstler zählen zu den Pionieren einer künstlerischen Sprache und einer konzeptuellen Arbeitsweise, die große Bedeutung für die jüngere Generation haben.

Sanja Ivekovic, „Women’s House (Sunglasses): Firuze, Istanbul“, 2002 – 2004, 10 Poster, Foto: Art Collection Telekom

Aufbauarbeit im Osten

Künstler aus dem Osten Europas haben in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit bekommen. Warum sammelt die Telekom seit 2010 schwerpunktmäßig Kunst aus Südost- und Osteuropa?
Die Kunstgeschichte der Länder hinter dem ehemaligen eisernen Vorhang wird abseits der offiziellen sozialistischen Geschichtsschreibung erst seit einigen Jahren recherchiert und neu geschrieben. Zwar haben die großen internationalen Museen wie Museum of Modern Art in New York, das Centre Pompidou in Paris oder Tate Modern in London eigene kunsthistorische Abteilungen für den Raum Osteuropas gebildet. Aber eine Sammlungstätigkeit der ansässigen Museen ist nach wie vor kaum vorhanden. Die Telekom leistet hier eine sinnvolle Aufbauarbeit.

Was macht die Deutsche Telekom sonst noch auf der Art Cologne?
Wir verleihen den Art Cologne Award for New Positions. Damit unterstützt die Telekom das Förderprogramm „New Positions“ für junge Künstler. Der Preis wird am 28. April verliehen und hat einen Gesamtwert von 10.000 Euro. Dazu gehört noch eine Einzelausstellung in der artothek Köln im Folgejahr. Außerdem stellen wir Neuerwerbungen der Art Collection Telekom vor.

Dabei hieß es ja eine Zeit lang, Kunstmessen gehören der Vergangenheit an: Sie seien zu teuer für junge Galerien und würden vor allem den etablierten Playern ein Forum bieten. Zugleich expandieren die großen Messen und gründen Ableger — zuletzt die Art Düsseldorf und die Art Berlin. Gerade mit Blick auf die neuen Positionen: Welchen Stellenwert haben Messen?
Ich verantworte bei der Telekom ja nicht nur den Aufbau der Kunstsammlung, sondern auch das Thema Brand Experience, also die Auftritte der Marke Telekom auf Messen. Ich komme gerade von der Hannover Messe, auf der wir gestern unseren Stand eröffnet haben. Meine Beobachtung ist, dass gerade in Zeiten der Digitalisierung wieder mehr Wert auf persönliche, unmittelbare Begegnung gelegt wird. Messen sprechen alle Sinne an. Das spielt eine wichtige Rolle – gerade auch in der Vermittlung von Kunst.

Verstehen Sie die Sammeltätigkeit der Telekom als Förderung?
Ja, wir wollen junge Künstler fördern und mit der Sammlung Menschen ermutigen, die Welt mit anderen Augen zu sehen. Durch den Ankauf von Werken junger Künstler ermöglichen wir einigen, ihre künstlerische Karriere zu verfolgen. Außerdem konzentrieren wir unser Engagement auf Künstler, die bereits internationale Ausstellungserfahrungen gesammelt und wesentlich die Kunst der post-sozialistischen Zeit geprägt haben. Darüber hinaus suchen wir Arbeiten, die als Brücken zwischen der Gegenwart und jüngster Vergangenheit dienen. Dabei unterstützen wir den Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur für die zeitgenössische Kunst durch den bevorzugten Erwerb der Werke in Galerien vor Ort.

Sanja Ivekovic, „Women’s House (Sunglasses): Magda, Poland“, 2002 – 2004, 10 Poster, Foto: Art Collection Telekom

Jede Sammlung bildet eine Erzählung

Was unterscheidet eine Firmensammlung von anderen Sammlungen?
Wenn es sich um konzeptuell oder intuitiv kuratierte Sammlungen handelt, sind die Unterschiede nicht so groß. Jede Sammlung bildet mit ihren Sammlungsobjekten eine Erzählung. Bei privaten Sammlern ist es eine Erzählung über die Persönlichkeit und die Interessen. Bei institutionellen Sammlungen ist eine Erzählung über die Zielsetzungen und Aufgaben. Bei Firmensammlungen ist es eine Erzählung über das Selbstverständnis und die Unternehmenskultur. Damit spielt die Sammlung auch eine Rolle für die interne Kommunikation und das Selbstverständnis der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Und was unterscheidet die Telekom-Sammlung von anderen Unternehmenssammlungen, beispielsweise der UBS oder der Deutschen Bank?
Wir verstehen die Art Collection Telekom hauptsächlich als ein Medium für die Kommunikation und den Austausch von Ideen und Vorstellungen. Der Telekom geht es mit der Sammlung weniger um den Aspekt einer Wertanlage oder Vermögensverwaltung, wie das bei Banken durchaus ein legitimes und berechtigtes Anliegen sein mag.

Was kann die Art Collection Telekom leisten, was Institutionen nicht leisten können?
Museen leisten mit ihren professionellen Mitarbeitern im Bereich der Recherche, des Erhalts, der Präsentation und der Vermittlung die wesentliche Arbeit. Die historische Bedeutung eines Sammlungsobjekts ist daher auch ein wichtiges Kriterium für ihre Ankaufsentscheidungen. Eine Unternehmenssammlung oder private Sammlung kann viel zeitgenössischer und aktueller ausgerichtet sein. Wir denken aber auch, dass es wichtig sein wird, neue Formen der Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen und Unternehmen auszuprobieren.

Wie verwahrt sich eine Unternehmenssammlung davor, die Werke als bloße Spekulationsobjekte zu behandeln?
Das Hauptgeschäftsfeld der Deutschen Telekom ist sicherlich nicht der Kunsthandel. Werterhalt und Wertsteigerung sind aber keine negativen Aspekte in unserem Wirtschaftssystem. Da ist die Kunst keine Ausnahme. Wir bemühen uns darum, den Werken intern im Unternehmen und auch durch Ausstellungen eine Öffentlichkeit zu geben.

Weitere Informationen zur Kunstsammlung der Telekom gibt es hier oder per Art Collection Telekom App.

 

Titelbild: Braco Dimitrijevic, „This Could Be A Place Of Historical Importance“, 1972, Foto: Art Collection Telekom

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