Alle Artikel in: Kritik

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Von der Hafenstraße in die Hafenstraße. Daniel Richter feiert in einem Keller

Wenn der Maler Daniel Richter eine Party feiert, dann am besten in der Hafenstraße. Aber nicht in Hamburg, sondern in Frankfurt. An der Grenze zum Gallusviertel ist das Bahnhofsviertel noch nicht domestiziert. Hier gibt es eine Menge leerstehender Gebäude aus der Zeit, als das Gebiet zwischen dem Bahnhof und dem F.A.Z.-Hauptquartier Boomtown war. “Da liegen die Crack-Raucher zwischen den Hochhäusern herum,” hat Christian Kracht einmal geschrieben. Vor ein paar Wochen hat in einer alten Spielothek ein neuer Club aufgemacht. Eine Straße weiter, in der Hafenstraße, hat noch ein Club aufgemacht. Der heißt Hafenstraße 51 und ist im zweiten Untergeschoss. Über Rampen geht es in den Keller unter dem Commerzbank Trading Center, Baujahr 1976. In einen von der Finanzwelt vergessenen Randbereich. Natürlich passen Techno und mit Rohbeton ausgekleidete Kellerräume sehr gut zusammen. Also Berliner Technokitsch, nur im Frankfurter Bahnhofsviertel, in einer Straße die ausgerechnet auch Hafenstraße heißt. Daniel Richter muss gelegentlich erklären, dass er nie in einem der besetzten Häuser in der Hamburger Hafenstraße gewohnt hat. Aber in der Gegend hat er sich viel herumgetrieben in …

Wie viel Deutschtümelei verträgt Deutschland?

Man wacht morgens auf und hat die Stimme des Büchner-Preisträgers Martin Mosebach noch im Ohr. Und wenn man gerade denkt, es war alles nur ein Traum, muss man sich auf der Seite des Deutschlandfunk eines Besseren belehren lassen. Mosebach hat in einem Interview Botho Strauß’ Debattenbeitrag Der letzte Deutsche, erschienen im Spiegel, verteidigt. Strauß macht sich da Sorgen um nicht weniger als Kultur und Literatur: „Dank der Einwanderung der Entwurzelten wird endlich Schluss sein mit der Nation und … einer Nationalliteratur.“ Strauß fühlt sich wie der letzte Deutsche. Dietmar Dath widerspricht ihm. Hans Hütt stellt in der Zeit derweil die Diagnose: beginnende Demenz. Richard Kämmerlings wundert sich. Über die diffuse, völkische Paranoia kann man sich ebenfalls wundern. Einen Verteidiger hat Strauß’ Dekadenzfantasie mit Mosebach jedenfalls gefunden. Der meint, dass hier nur ein Missverständnis vorliegt. Die Entwurzelten seien gar keine Flüchtlinge, sondern die Deutschen selbst. Die haben, so Mosebach, den Kontakt zur Nationalliteratur verloren. Warum die Entwurzelten dann aber einwandern, man weiß es nicht. Warum für Mosebach Ernst Jünger in eine Reihe deutscher romantischer Philosophen gehört, muss auch im …

Ein Rundgang durch die Alte Post. Die Parallel Vienna 2015

Zehn Minuten vor der Pressekonferenz läuft der Drucker heiß, denn die Presseinformationen müssen noch gedruckt werden. Zahlreiche Helfer laufen im Eingangsbereich der Alten Post in Wiens erstem Bezirk hin und her, fegen den Boden, tragen Wassereimer aus dem Raum, schieben Boxen Richtung Bühne und verlegen Kabel. Als die Pressekonferenz mit einiger Verspätung schließlich beginnt, entschuldigt sich Stefan Bidner, der Artistic Director der Parallel Vienna, es sei ein junges Projekt, sympathisch, aber eben auch noch etwas chaotisch. Das mache den Charme und die „angenehme Atmosphäre“ aus, betont er. Zum dritten Mal findet die Parallel Vienna jetzt statt. Bisher wurde jedes Jahr nach einer neuen Location gesucht. Das soll sich in Zukunft ändern, denn die Organisatoren wünschen sich einen fixen Ort für die Veranstaltung, die Messe, Galerie, Kunsthalle und Atelier zugleich sein will. Auf einen Open Call wurde verzichtet. Die Künstler wurden direkt eingeladen, damit die Qualität gesichert ist. Bewerbungen auf Ausschreibungen kämen immer viel zu viele rein und das auch eher von der Hobbymalerfraktion, erklärt Kaveh Ahi, einer der Mitbegründer der Parallel Vienna. Deshalb habe man …

Heather Cassils
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photo: Heather Cassils with Robin Black
Courtesy Ronald Feldman Fine Arts, New York

Nackt geboren. „Homosexualität_en“ im Deutschen Historischen Museum in Berlin

“Homosexualität wird museumsreif”, meldet die dpa. Freilich gibt es das Schwule Museum in Berlin schon lange, nämlich seit den Achtzigern. Aber das scheint eher eine Randerscheinung zu sein, könnte man meinen. Also weit weg von der sogenannten Mitte der Gesellschaft. Wo genau das ist, weiß eh keiner so genau, aber man kann schon gefahrlos behaupten, dass das Deutsche Historische Museum in Berlin der Mitte ziemlich nahe kommt. Von Jens Bisky in der Süddeutschen als verlässlich langweilig bezeichnet, zeigt das DHM gerne Ausstellungen, die einem Bildungsauftrag nachkommen. Zum Glück ist die Ausstellung “Homosexualität_en,” eine Kollaboration vom Historischen Museum und dem Schwulen Museum, nicht allzu didaktisch ausgefallen. Ohne einen kleinen Skandal geht es auch nicht: Schon vor der Ausstellung gab es Ärger um das Ausstellungsplakat. Das Plakat zeigt ein Foto von der Performancekünstlerin Heather Cassils, nachdem sie sechs Monate lang Gewichte gestemmt hat. Ob man nicht einfach ganz normale Schwule zeigen könne, hieß es. Gerade das will der Plural im Titel der Schau aber sagen: Es gibt eben nicht die eine, ganz normale Homosexualität, sondern viele verschiedene. Es gibt …

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Der Preis der Nationalgalerie ist kaputt

Der Preis der Nationalgalerie für junge Kunst ist kaputt. Nicht ganz. Aber zwei von vier Werken wollen nicht, wie sie eigentlich sollen. Die Buttermilch probt und das iPad streikt. Ich frage die Aufsicht beim kaputten iPad, einer Arbeit von Christian Falsnaes, ob nicht wenigstens die Probe bei der Buttermilch unterbrochen werden könnte. Denn dann könnte man den Raum mit dem Werk von Anne Imhof wieder öffnen - und statt der Hälfte der Werke wäre nur noch ein Viertel nicht zu sehen. Das könne sie nicht entscheiden, sagt sie, ich solle mich am Infostand beschweren, dann käme es ganz oben an. Mit dem Finger zeigt sie in die Luft, nach oben, um ihren Worten mehr Gewicht zu verleihen. Ich verstehe, sehe aber davon ab. Und während ich langsam den Raum verlasse, um wieder auf die andere Seite des Hamburger Bahnhofs zur Buttermilch zu gehen, erzählt die Aufsicht ihrem Kollegen, wie verärgert, gar sauer all die Besucher seien. Auf der anderen Seite angelangt, frage ich die dort zuständige Aufsicht, wie die Lage bei der Buttermilch sei und ob er …